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- Bern - Pierre-Gabriel Bieri

Begehrlichkeiten rund um internationale Steuern

Die grössten Industriestaaten bekräftigen ihre Bereitschaft, einen Mindeststeuersatz auf Unternehmensgewinne einzuführen. Vor dieser Ausgangslage muss die Schweiz ihre Interessen verteidigen und sich für die Steuersouveränität der einzelnen Staaten stark machen. Um reale Probleme bei der internationalen Besteuerung anzugehen, sind andere Überlegungen gefragt.

Erwartungen nach unten korrigiert

Für den Paukenschlag des Wochenendes sorgten die G7-Finanzminister (Vereinigte Staaten, Kanada, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Japan). Wenig überraschend, einigten sie sich auf das Prinzip eines global anwendbaren Mindeststeuersatzes von 15% für Unternehmensgewinne. Zudem bekräftigten sie ihren Willen, bei der Besteuerung von Gewinnen grosser multinationaler Unternehmen eine bessere Verteilung anzustreben.

Die Idee eines weltweiten Mindeststeuersatzes liegt schon seit einiger Zeit in der Luft. Auftrieb erhielt das Ansinnen vor zwei Monaten, als die US-Regierung Unterstützung zusicherte – nur war damals die Rede von 21%. Nun erfolgte eine deutliche Korrektur nach unten. Dies zum Entsetzen gewisser europäischer „Steuerhöllen“ und NGOs, die einen viel höheren Schwellenwert bevorzugen.

Der Grund dieser Zurückhaltung ist folgender: Die G7-Minister müssen zuerst noch die G20-Minister überzeugen, dann die OECD-Minister und schliesslich noch viele Länder, die in Steuerfragen mit der OECD zusammenarbeiten. Kein Geheimnis ist, dass mehrere Länder mit niedrigen Steuersätzen versuchen werden, sich diesem Machtdiktat zu widersetzen; offen bleiben mag zurzeit Ausmass und Intensität ihrer Beharrlichkeit.

Die Zahl von 15% ist nun gefallen, jedoch bleiben viele Fragen offen. Dass die Länder verpflichtet werden, ihre Steuersätze anzupassen, ist glücklicherweise zurzeit kein Thema. Stattdessen wird folgender Mechanismus erwähnt: Wird eine Tochtergesellschaft mit Sitz in einem Niedrigsteuerland mit weniger als 15% besteuert, kann das Land, in dem die Muttergesellschaft ihren Sitz hat, die Differenz in Rechnung stellen.

Ungewisse Entwicklung

Politisch eher unwahrscheinlich ist, dass allein dieser Mechanismus auf Dauer Bestand haben wird. Damit würde unmöglich, eine Mindestbesteuerung zu garantieren, wenn der Hauptsitz des Unternehmens in einem Niedrigsteuerland liegt. Auch könnten steuerfreundliche Staaten nicht daran gehindert werden, für ihre eigenen Unternehmen einen niedrigeren Satz beizubehalten. Angenommen wird, dass sich jedes Land bzw. in der Schweiz jeder Kanton „genötigt“ sähe, das internationale Minimum nicht zu unterschreiten, um die teilweise „Abwanderung“ potenziellen Steuersubstrats an ausländische Steuerbehörden zu verhindern. Nur blendet diese Argumentation folgendes aus: Niedrige Steuersätze für alle in einem Gebiet ansässige Unternehmen wirken sich positiv auf die wirtschaftliche Dynamik aus und damit auch auf das Steueraufkommen. Wird da Platz bleiben für eine differenzierte Besteuerung von lokalen und multinationalen Unternehmen?

Heute ist daher offen, ob die vorgeschlagene Regelung nicht in Richtung eines strengeren Regimes führt und in der Folge die in der Schweiz angewandten Steuersätze in Frage gestellt würden.

Angesichts dieser Hypothese gebietet die Vorsicht, bei möglichen zukünftigen Anpassungen von einer restriktiveren und weniger wettbewerbsfähigen Besteuerung auszugehen. Glücklicherweise hält die Schweiz noch andere Trümpfe in der Hand, um für Unternehmen attraktiv zu sein. Damit soll nicht gesagt werden, dass sich der Bund zurücklehnen und der Entscheide harren soll, die da seitens der OECD kommen werden. Noch weniger soll er unreflektiert einfach gutheissen oder akzeptieren! Vielmehr wird erwartet, dass der Bundesrat eine kämpferische Haltung einnimmt.

Ein weniger mediatisierter Gedankengang

Insbesondere ist der für die Schweiz vielfach verwendete Begriff vom „Steuerparadies“ zurückzuweisen. Zug als steuergünstigster Kanton kennt immerhin einen Steuersatz von 11,9%. Zudem ist die Legitimität der Steuersouveränität für die einzelnen Staaten hervorzuheben. Dann ist der Finger darauf zu legen, dass Steuern keine Umverteilungsübung für soziale Gerechtigkeit sind. Denn diese sollen dem Staat einzig die finanziellen Mittel generieren, die er für die Bewältigung seiner Aufgaben benötigt. Deshalb ist logisch, dass ein Staat, der weniger ausgibt, auch weniger Steuern erhebt.

Die Härte, mit welcher die Schweiz ihre Interessen zu verteidigen hat, hindert diese nicht, Probleme dort anzuerkennen, wo sie bestehen. So ist kaum zu rechtfertigen, wenn bestimmte Unternehmen riesige Gewinne in Gebiete „exportieren“ können, in denen keine nennenswerte Tätigkeit ausgeübt wird und wo sie wenig oder gar nicht besteuert werden.

Das ist aber ein anderes Thema. Damit wird ein zweiter Schwerpunkt der OECD-Überlegungen angesprochen. Wohl stehen diese weit weniger im medialen Fokus als die Frage der Steuersätze, obwohl viel eher gerechtfertigt. Die Rede ist von der Steueraufteilung bei der Gewinnbesteuerung grosser multinationaler Unternehmen, häufig digitaler und amerikanischer Herkunft. Die OECD möchte, dass die Gewinne dieser Unternehmen dort besteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden, unabhängig davon, wo sich ihr Hauptsitz befindet.

Klug wäre es, seine Anstrengungen auf diesem Bereich zu konzentrieren und nicht auf die Vereinheitlichung der Steuersätze.



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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