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- Bern - Pierre-Gabriel Bieri

Unternehmen wollen weniger kostspielige Regulierungen

Die Gesetzgebungsmaschinerie führt zu direkten und indirekten Kosten für die Unternehmen. Um diese Kosten zu bremsen, schlägt der Bund eine neue Verfassungsbestimmung und ein neues Gesetz vor. Die Projekte sind nicht sehr ambitiös, gehen aber in die richtige Richtung. Wichtiger bleibt der starke politische Wille, sich entschieden Regulierungswünschen entgegen zu setzen.

Erhebliche direkte und indirekte Kosten

Ein Phänomen, welches die meisten Länder kennen, macht auch vor der Schweiz nicht halt: In der Manie alle Probleme bis ins letzte Detail lösen zu wollen, wird pausenlos die Gesetzgebungsmaschine angeworfen. So wuchs in all den Jahren der Regulierungsdschungel zu einem wahren Dickicht an. Diese unzähligen Regulierungen lösen nicht nur bei der öffentlichen Hand erhebliche Kostenfolgen aus, immer öfter leiden auch die Unternehmen. Wie kann dem Einhalt geboten werden?

Das Thema beschäftigt die Privatwirtschaft seit Jahren. Laut dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) belaufen sich die direkten und indirekten Regulierungskosten für Unternehmen auf derzeit 10% des BIP oder gegen CHF 70 Milliarden pro Jahr. Die Abschaffung bestimmter veralteter, unnötiger Vorschriften führte zu Einsparungen von ca. CHF 10 Milliarden. Dies aber nur, wenn nicht gleichzeitig neue Regulierungen wieder neue Kostenfolgen auslösen.

Überwiesene parlamentarische Vorstösse aus dem Jahr 2016 zwangen den Bund zum Handeln. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung hat zwei getrennte, sich ergänzende Vorlagen ausgearbeitet. Sowohl verfassungsrechtlich als auch gesetzgeberisch soll vorgegangen werden, um die Regulierungskosten für Unternehmen einzudämmen. Einerseits wird die Einführung einer Regulierungskostenbremse in der Bundesverfassung vorgeschlagen, andererseits soll ein Bundesgesetz über die Entlastung der Unternehmen von Regulierungskosten (UEG) geschaffen werden. Beide Vorlagen befinden sich bis Mitte August in der Vernehmlassung.

Zwei komplementäre Vorlagen

Zur Einführung der Regulierungsbremse sollen in der Bundesverfassung verschärfte Abstimmungsmodalitäten eingefügt werden. Neu würde die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes Rates (National- und Ständerat) verlangt. Bisher war die Mehrheit der Abstimmenden ausreichend. Dies soll gelten, wenn für mehr als 10’000 Unternehmen eine Erhöhung der Regulierungskosten entstünde oder wenn für Unternehmen gesamthaft eine Erhöhung der Regulierungskosten von mehr als CHF 100 Millionen resultieren würde. Diese Neuerungen dürften eher einen symbolischen als einen praktischen Effekt haben. Laut den Erläuterungen zur Vernehmlassung hätten in den letzten Jahren mehr als 99% der Abstimmungen das höhere Mehrheitserfordernis erreicht. Der Nutzen eines solchen Mechanismus läge somit vor allem darin, die Kosten aufzuzeigen, welche durch neue Gesetze entstehen.

Die zweite Vorlage (UEG) ist insofern ergänzend, als von der Bundesverwaltung verlangt würde, eine Regulierungskostenschätzung für Unternehmen bei neuen rechtsetzenden Erlassen durchzuführen. Diese Kosten müssten in allen Phasen des Gesetzgebungsverfahrens ausgewiesen werden: im Vernehmlassungsverfahren, bei der ans Parlament zu überweisenden Botschaft und gegebenenfalls in den Erläuterungen einer Volksabstimmung. Bereits heute werden diese Hinweise oft summarisch unter dem Stichwort „Auswirkungen auf Wirtschaft“ geschätzt und ausgewiesen.

Im UEG werden ebenfalls Grundsätze für eine „effiziente Regulierung“ definiert. Angesprochen wird das beste Kosten-Nutzenverhältnis, die Verhältnismässigkeit bei der Belastung, die Verständlichkeit und Durchsetzbarkeit, das Ausschöpfen elektronischer Mittel, die innovationsfreundliche und technologieneutrale Ausgestaltung usw. Der Bundesrat erhielte die Pflicht, die Entwicklung der Belastung von Unternehmen durch Regulierungskosten zu überwachen, Verbesserungen aufzuzeigen und alle vier Jahre einen Bericht zur Entlastung der Unternehmen von Regulierungskosten aufzuzeigen.

Gute Anreize, aber kein Ersatz für starken politischen Willen

Ein scheinbar unbedeutender Punkt gibt jedoch Anlass zur Sorge: Geplant ist, eine zentrale elektronische Plattform zur Abwicklung von Kontakten zwischen Unternehmen und Behörden einzuführen. Die Entwicklung von E-Government ist an sich eine sehr gute Sache. Nur darf sie nicht dazu führen, ein Vehikel für eine unreflektierte Zentralisierung zu generieren. In diesem Sinne wäre es inakzeptabel, wenn der Bund den Kantonen oder anderen Institutionen die Verwendung seines eigenen elektronischen Portals aufzwingen würde. Wir denken z.B. an AHV-Ausgleichskassen, die ihrerseits bereits aktiv an der eigenen Digitalisierung arbeiten. Diese sollen ihre Bemühungen nicht durch „Bundeslösungen“ zunichte gemacht sehen, deren Relevanz und Effizienz erst noch bewiesen werden müssen. Im Hinblick eines effizienten Datenaustausches scheint daher die Forderung nach Kompatibilität oder Interoperabilität ausreichend.

Dennoch sind die beiden in der Vernehmlassung stehenden Vorlagen insgesamt ein Schritt in die richtige Richtung. Sie werden den Gesetzgeber zwingen, die finanziellen Folgen seiner Entscheidungen sorgfältiger zu bedenken, regelmässig zu evaluieren, Entlastungspotenziale zu identifizieren und entsprechende Massnahmen vorzuschlagen.

Es wäre jedoch falsch, Wunder zu erwarten: Kein Mechanismus hemmt den Willen der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, ihre Regulierungswut einzudämmen. Deshalb braucht es den starken politischen Willen, bei Regulierungswünschen der Verwaltung entschieden Gegensteuer zu geben. Dazu gehört auch, selbst mit politischen Vorstössen zurückhaltend zu sein, wenn diese durch die Regulierung grössere Kosten auslösen würden. Zudem: Deutschland war bei seiner Einführung einer Regulierungsbremse mutiger. Geschaffen wurde eine unabhängige Stelle, welche die Kosten schätzt, Studien durchführt und regelmässig im Nachgang die Auswirkungen jeder Regulierung überprüft.



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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