Energiekrise: Was muss ich als Arbeitgeber wissen?

«Kein Strom, viele arbeitsrechtliche Fragen»

Die weltweite Energiekrise trifft auch die Schweiz und führt zu einer gewissen Anspannung mit Blick auf den bevorstehenden Winter. Entsprechend wird versucht, zukünftige Entwicklungen abzuschätzen. Eine mögliche Folge der drohenden Energiemangellage könnte sein, dass Energie auf freiwilliger und/oder behördlich angeordneter Basis rationiert werden muss oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht.

Ein solches Szenario hat direkte Auswirkungen auf die Arbeitswelt und führt auch bei den Arbeitgeberinnen im arbeitsrechtlichen Kontext zu Rechtsunsicherheiten: Was muss ich bei der Flexibilisierung der Arbeits- und Ruhezeiten beachten? Kann ich meine Arbeitnehmer ins Homeoffice schicken? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen muss ich bei Sparmassnahmen berücksichtigen? Kann eine Kurzarbeitsentschädigung beantragt werden?

Petra Tscherrig, Juristin MLaw

In unseren FAQ beleuchten wir diese und weitere mögliche arbeitsrechtliche Fragenstellungen mit dem Ziel, Klarheit zu schaffen und praktische Handlungsempfehlungen abzugeben.

Arbeitsrechtliche Fragen und Antworten, Stand 2. März 2023
Gut zu wissen

1. Wo kann ich mich informieren?

Der Bund hat eine Hotline für Bürger- und Firmenanfragen eingerichtet (0800 005 005) und Energiespartipps für Firmen veröffentlicht (vgl. Website UVEK). Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung hat auf seiner Website verschiedene Ratgeber publiziert, u.a. hinsichtlich der Frage, wie sich Unternehmen auf eine Strommangellage oder Stromunterbrüche vorbereiten können (vgl. Website BWL).

2. Welche behördlichen Massnahmen wurden bereits getroffen?

Es wird ein «Single Point of Contact» (SPOC) als Kontaktstelle für die Kantone und die von Massnahmen betroffenen Wirtschaftssektoren eingerichtet. Die Kantone prüfen aktuell Massnahmen und haben z.T. bereits Massnahmen beschlossen. Der Bundesrat hat im Anschluss an die Konsultation die Verordnungsentwürfe Verbote und Beschränkungen der Verwendung von Gas sowie Kontigentierung des Gasbezugs angepasst. Die Verordnungen werden erst im Zeitpunkt einer Mangellage vom Bundesrat in Kraft gesetzt (Medienmitteilung vom 16. November 2022).

Der Bundesrat schickt verschiedene Verordnungsentwürfe, die Verwendungsbeschränkungen und Verbote, Sofortkontingentierung, Kontingentierung sowie Netzabschaltungen regeln, bis zum 12. Dezember 2022 in eine verkürzte Vernehmlassung (Medienmitteilung vom 23. November 2022).

3. Mit welchen Massnahmen muss ich rechnen?

Die Unsicherheit ist gross und entsprechend schwierig sind potenzielle Massnahmen vorauszusagen. Als Richtungsweiser könnten sich ggf. die kantonalen und kommunalen Verwaltungen erweisen. In verschiedenen Kantonen wurden Sparmassnahmen für Verwaltungsgebäude beschlossen wie etwa:

  • Höchsttemperaturen fürs Heizen;
  • Warmwasser abstellen;
  • Beleuchtung reduzieren resp. dimmen;
  • Leistung der Lüftungsanlagen reduzieren;
  • Dienstfahrten reduzieren;
  • Nach Möglichkeit im Homeoffice arbeiten;
  • Sitzungen online statt physisch abhalten;
  • Verbot von privaten Gerätschaften;
  • Einschränkung der Liftnutzung;
  • Sensibilisierung der Bevölkerung.
Arbeitszeit und Ferien

1. Kann ich die Arbeitszeitvorschriften des Arbeitsgesetzes bei einem Strommangel flexibel handhaben?

Die zwingenden Vorschriften des Arbeitsgesetzes sind grundsätzlich auch in einer solchen Situation einzuhalten. Pro Memoria: In der Covid-Krise hatte der Bundesrat die Arbeits- und Ruhezeiten während der ausserordentlichen Lage mit der COVID-19-Verordnung 2 für Spitalabteilungen ausgesetzt.

Hat sich der Arbeitnehmer mit dem Grundsatz der flexiblen Arbeitszeiten einverstanden erklärt, ist eine Flexibilisierung der Arbeitszeit im Rahmen der gesetzlichen Schranken möglich. Dabei sind die Arbeitnehmenden in die Organisation der Arbeitszeit und Gestaltung der Stundenpläne einzubeziehen und möglichst frühzeitig – in der Regel zwei Wochen vor einem geplanten Einsatz mit neuen Arbeitszeiten – zu informieren (vgl. Art. 48 ArG sowie Art. 69 ArGV 1).

Wenn aus zwingenden Gründen kurzfristige Stunden- bzw. Einsatzplanänderungen erforderlich sind, ist eine schnelle, direkte und umfassende Information der betroffenen Arbeitnehmer unerlässlich. Sollten die Behörden eine Stromabschaltung innerhalb von weniger als zwei Wochen beschliessen, müsste somit die Arbeitgeberin ausnahmsweise die Möglichkeit haben, die Arbeitszeiten entsprechend zu ändern, sofern diese Änderungen für die Arbeitnehmer zumutbar sind, insbesondere im Hinblick auf eventuelle Familienpflichten.

2. Kann ich die Arbeitnehmer anweisen, im Hinblick auf künftige Einschränkungen Überstunden zu leisten?

Überstunden können unter den Bedingungen von Art. 321c OR (d.h., wenn die Überstunden notwendig sind, dem Arbeitnehmer zugemutet werden können und er sie leisten kann) von den Arbeitnehmern verlangt werden. Dabei müssen die wöchentlichen Höchstarbeitszeiten eingehalten werden.

Ausnahmsweise darf die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten werden, insbesondere wenn dies zur Vermeidung oder Beseitigung von Betriebsstörungen erforderlich ist, soweit der Arbeitgeberin nicht andere Vorkehren zugemutet werden können. (Art. 12 Abs. 1 Bst. c ArG). Es ist anzunehmen, dass bei einer zukünftigen Energieeinschränkung die oben genannte Bedingung erfüllt ist und dass die Arbeitgeberin tatsächlich Überzeitarbeit von den Arbeitnehmern verlangen kann. Dabei hat sie zu beachten, dass die Überzeitarbeit pro Person nicht mehr als 2 Stunden pro Tag sowie pro Jahr maximal 170 Stunden bei einer gesetzlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden bzw. maximal 140 Stunden bei einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden Überzeit beträgt.

Ebenfalls sollte es eine konkrete Situation drohender Energieknappheit erlauben, die Überzeitarbeit auch in der Nacht zu leisten, da das Gesetz ausdrücklich die Notwendigkeit vorsieht, Störungen in der Energieversorgung abwehren zu können, sofern das Unternehmen die erforderliche Bewilligung besitzt (Art. 26 Abs. 1 Bst. e ArGV 1, vgl. auch Ausführungen zur nachfolgenden Frage). Bei Arbeitnehmern mit Familienpflichten ist dabei zu beachten, dass diese nicht ohne ihr Einverständnis zu Überzeitarbeit herangezogen werden dürfen (Art. 36 Abs. 2 ArG).

3. Kann ich Nacht- und Sonntagsarbeit anordnen, um Spitzen beim Energieverbrauch zu brechen, oder auch im Falle einer bevorstehenden Stromabschaltung?

Grundsätzlich nein, da die Beschäftigung von Arbeitnehmern ausserhalb der betrieblichen Tages- und Abendarbeit sowie am Sonntag untersagt ist (Art. 16 und 18 ArG). Ausnahmen vom Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit erfordern eine Bewilligung (Art. 17 und 19 ArG) sowie das Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer.

Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Sonntags- oder Nachtarbeit wird vom SECO bewilligt, sofern sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist (Art. 17 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 2 ArG). Vorübergehende Sonntags- oder Nachtarbeit wird von der kantonalen Behörde bewilligt, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen werden kann (Art. 17 Abs. 3 und 19 Abs. 3 ArG). Vorbehalten bleiben bestimmte Gruppen von Betrieben, die gemäss ArGV 2 von der Bewilligungspflicht befreit sind.

Das Parlament hat eine Motion (Nr. 22.3921) angenommen, wonach die ArGV1 so anzupassen ist, dass eine Energiemangellage als «dringendes Bedürfnis für Nacht- oder Sonntagsarbeit» definiert wird (Strom ab Stufe 2 und Gas ab Stufe 3). Der Bundesrat wurde beauftragt, einen Entwurf zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen in diesem Sinne vorzubereiten. Das SECO schreibt i.Ü. in seiner Wegleitung zu Art. 27 ArGV1 bereits heute, dass bei einer Energiemangellage ein dringendes Bedürfnis gegeben sei.

4. Wie würde sich eine Änderung der Arbeitszeiten auf die Löhne meiner Arbeitnehmer auswirken?

Überstunden sowie Überzeitstunden führen zu einem Lohnzuschlag auf die üblicherweise vorgesehene Vergütung, wenn die betreffenden Stunden nicht durch Freizeit gleicher Dauer ausgeglichen werden und der Zuschlag für Überstunden nicht vertraglich ausgeschlossen wurde (Art. 321c OR und Art. 13 ArG). Ebenso können Sonntagsarbeit sowie Nachtarbeit gemäss Art. 13, 17b und 19 ArG zu einer zusätzlichen Entlöhnung, resp. zu einem Zeitzuschlag führen.

5. Kann ich bei einem Strommangel kurzfristig Betriebsferien anordnen?

Nein. Es trifft zwar zu, dass die Arbeitgeberin den Zeitpunkt der Ferien festlegt. Sie hat dabei jedoch die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

Eine einseitige Anordnung des Ferienbezugs durch die Arbeitgeberin setzt einen gewissen zeitlichen Vorlauf (in der Regel 3 Monate) voraus. Ist der Arbeitnehmer hingegen einverstanden, kann er die Ferien im Einverständnis mit der Arbeitgeberin auch kurzfristig antreten.

6. Kann ich bereits bewilligte Ferien auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, um meine Produktion vor einer möglichen Stromknappheit zu erhöhen? Kann ich umgekehrt den Bezug von bereits bewilligten Ferien auf einen früheren Zeitpunkt anordnen, wenn meine Arbeitnehmer aufgrund einer Stromknappheit nicht beschäftigt werden können?

Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich den Ferienzeitpunkt bestimmen kann, hat er auf die Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden Rücksicht zu nehmen. Das heisst insbesondere, dass bereits bewilligte Ferien i.d.R.  von der Arbeitgeberin nicht mehr einseitig geändert werden können. Die Arbeitnehmer können in gutem Glauben darauf vertrauen, dass sie bewilligte Ferien beziehen können; es sei denn, eine Verschiebung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen der Arbeitgeberin unbedingt erforderlich. In einem solchen Fall muss die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer die durch die Stornierung der Ferien entstandenen Kosten erstatten.

Selbstverständlich ist es jederzeit möglich, Änderungen betreffend des Ferienzeitpunkts einvernehmlich vorzunehmen.

7. Kann ich bei einem Strommangel kurzfristig die Kompensation von Überstunden anordnen?

Grundsätzlich gilt Art. 321c OR. D.h. eine Kompensation von Überstunden ist nur in gegenseitigem Einverständnis möglich. Sofern die Kompensation von Überstunden schriftlich vereinbart worden ist und sich die Arbeitgeberin die Bestimmung des Zeitpunkts vorbehalten hat, ist eine einseitige Anordnung möglich. In besonderen Situationen trifft den Arbeitnehmer eine erhöhte Schadenminderungspflicht, die sich aus der Treuepflicht ableitet (Art. 321a OR). Das bedeutet, dass er dabei mitwirken muss, den Schaden für die Arbeitgeberin möglichst gering zu halten, soweit es ihm zugemutet werden kann. D.h. konkret, dass in diesem Fall eine Kompensation auch gegen den Willen des Arbeitnehmers möglich ist.

8. Ich möchte Änderungen an der Arbeitsorganisation in meinem Unternehmen vornehmen, um mich auf eine allfällige Energiemangellage vorzubereiten: Wie kann ich vorgehen?

Wenn die Arbeitgeberin Änderungen an der Arbeitsorganisation in Erwägung zieht (so etwa hinsichtlich Arbeitszeiten/Arbeitstage, Arbeitsort), um die Auswirkungen einer Energieknappheit auf das Unternehmen zu begrenzen, ist es empfehlenswert, zunächst die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine gibt, die gesamte Belegschaft zu konsultieren, um ihr die Situation zu schildern und zu erfahren, inwieweit die Arbeitnehmer bereit wären, die vorgeschlagenen Änderungen zu akzeptieren.

Wenn die Arbeitgeberin die geplanten Vertragsänderungen für notwendig hält, können die Änderungen für die Arbeitnehmer, die damit einverstanden sind, bereits in Kraft gesetzt werden.

Wenn die Arbeitgeberin schliesslich der Meinung ist, dass die geplanten Änderungen trotz des Widerstands der Arbeitnehmer unerlässlich sind, hat sie für deren Durchsetzung Änderungskündigungen auszusprechen: Damit kann die Arbeitgeberin die gewünschten Änderungen nach Ablauf der für die betroffenen Arbeitnehmer geltenden Kündigungsfrist (oder nach Ablauf der längsten Kündigungsfrist, z.B. drei Monate, damit das Inkrafttreten für alle zum selben Zeitpunkt erfolgt) einführen. Dabei gilt es zu beachten, dass Massenänderungskündigungen unter die Massenentlassungsvorschriften nach Art. 335d ff. OR fallen.  Eine Änderungskündigung sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Änderungen objektiv notwendig erscheinen, verhältnismässig sind und der beruflichen und persönlichen Situation der Arbeitnehmer Rechnung tragen (z.B. Arbeitnehmer mit mehreren Arbeitsplätzen oder mit Familienpflichten). Es ist jedoch nicht möglich, einem Arbeitnehmer, der dies nicht wünscht, Sonntags- oder Nachtarbeit aufzuzwingen.

Die Änderung der Arbeitsbestimmungen, sei es auf freiwilliger Basis oder durch eine Änderungskündigung erzwungen, kann von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass die Behörden Massnahmen ergreifen, die die Energieversorgung des Unternehmens einschränken. Die Bedingung ist allerdings präzise genug zu formulieren, um jegliches Risiko im Zusammenhang mit ihrer Auslegung zu vermeiden.

Schliesslich sei daran erinnert, dass Änderungen auch mit Zustimmung des Arbeitnehmers nicht gegen zwingende gesetzliche Vorgaben verstossen dürfen (etwa hinsichtlich Überzeit, Nacht-/Sonntagsarbeit) und dass das Unternehmen über die erforderlichen Genehmigungen verfügen muss.

Empfehlungen

  • Flexibilisierung der Arbeitszeit im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten prüfen.
  • Über die Möglichkeit der «Überstunden-Kompensation» informieren.
  • Arbeitnehmer einbinden.
Homeoffice oder anderweitige Verlagerung des Arbeitsorts

1. Kann ich die Arbeitnehmer freiwillig ins Homeoffice schicken?

Eine einseitige Anordnung von Homeoffice ist nicht ohne weiteres möglich. Letztlich handelt es sich um eine Verlagerung des Arbeitsortes, was eine Vertragsänderung darstellt.

Im Zuge der Covid-Krise wurde mobiles Arbeiten in vielen Betrieben erfolgreich umgesetzt und es wurden entsprechende Rahmenbedingungen etabliert. Diese sollten auch in diesen Zeiten Grundlage zur Regelung der Homeoffice-Arbeit sein.

In einer Notsituation hingegen kann die Arbeitgeberin gestützt auf ihr Weisungsrecht (Art. 321d OR) legitimiert sein, vorübergehend Homeoffice-Arbeit anzuordnen, soweit dies für die Arbeitnehmer zumutbar ist.

2. Muss ich die den Arbeitnehmern im Homeoffice zusätzlich entstehenden Kosten (insbesondere Heizkosten) übernehmen?

Art. 327a OR verpflichtet die Arbeitgeberin, alle durch die Ausführung der Arbeit notwendigen Auslagen zu ersetzen. Dazu gehören im Homeoffice beispielsweise Kommunikationskosten, Energie- und Stromkosten sowie Mietkosten.

Wenn Homeoffice im Interesse der Arbeitgeberin verrichtet wird, entstehen berufsbedingte Auslagen, die einen Anspruch auf Spesenersatz begründen. Wird Homeoffice hingegen primär im Interesse des Arbeitnehmers (persönliche Präferenzen) auf gegenseitiger Freiwilligkeit verrichtet, schuldet die Arbeitgeberin keinen Spesenersatz.  

3. Mit Zusatzkosten in welcher Grössenordnung muss ich rechnen, wenn ein Arbeitnehmer Homeoffice in meinem Interesse verrichtet?

Die Bezifferung der entstehenden Zusatzkosten ist nicht einfach. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung können die Spesen jedoch über eine Kostenpauschale entschädigt werden (BGer-Urteil 4A_533/2018). Für die Schätzung einer angemessenen Kostenpauschale sind jeweils die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. So erachtete das Bundesgericht im erwähnten Urteil bei einem Teilzeitbeschäftigten eine monatliche Entschädigung von CHF 150.- als angemessen. In Anlehnung an diesen Entscheid sprach das Arbeitsgericht Zürich einem Mitarbeiter eine monatliche Entschädigung von CHF 312.50 zu. Dieser Betrag trug insb. den höheren Mietkosten in der Stadt Zürich Rechnung.

4. Wenn ich beschliesse, einen Standort zu schliessen, oder wenn sich ein Standort in einem Gebiet ohne Strom befindet, kann ich dann von den Arbeitnehmern verlangen, von einem anderen Standort aus zu arbeiten?

Eine dauerhafte Änderung des Arbeitsorts kann den Arbeitnehmern nur auferlegt werden, wenn sie für diese günstiger ist, z.B. weil sich dadurch die Entfernung vom Arbeits- zum Wohnort verringert. Wenn die Änderung für sie nachteilig ist, sei es, weil sich die Entfernung bis zum Arbeitsort verlängert oder weil sie einen anderweitigen Nachteil für die Arbeitnehmer darstellt (z.B. aufgrund von Familienpflichten), bedarf es des Einverständnisses der betroffenen Arbeitnehmer oder die temporäre Änderung des Arbeitsorts muss zumutbar sein. In beiden Fällen hat ein Ausgleich zu erfolgen (z.B. Anrechnung der zusätzlichen Zeit an die Arbeitszeit + Kilometergeld oder entsprechende Verkürzung des Arbeitstages).

Empfehlungen

  • Rahmenbedingungen für Homeoffice prüfen und etablieren.
Zulässige Sparmassnahmen

1. Kann ich aus Kostengründen die Heizung abstellen?

Die Arbeitgeberin ist gehalten, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen (vgl. dazu Art. 6 Abs. 4 und Art. 40 ArG sowie die Ausführungsbestimmungen in ArGV3). Sie kann somit die Heizung nicht einfach abstellen, ohne konkrete Massnahmen vorzusehen, welche die Arbeitnehmer in den ungeheizten Räumen vor Kälte schützen (vgl. Art. 21 ArGV3). Diese Bestimmung besagt auch, dass sich Arbeitnehmer an den einzelnen Arbeitsplätzen erwärmen können müssen.

2. Gibt es eine gesetzliche Mindesttemperatur, die ich beim Beheizen von Arbeitsräumlichkeiten berücksichtigen muss?

Nein, eine solche gibt es nicht. Die Arbeitgeberin hat jedoch die Gesundheit aller Arbeitnehmer mit passenden, erforderlichen Massnahmen zu schützen. Auch wenn eine Arbeitgeberin somit die Heizung nicht gänzlich abstellt, kann das Senken der Temperatur im Einzelfall dennoch zusätzliche Gesundheitsschutz-Massnahmen erfordern.

Im Übrigen empfiehlt das SECO in seiner Broschüre für Büroarbeitsplätze mit mehrheitlich sitzender, geistiger Tätigkeit im Winter eine Raumtemperatur von 21 – 23 Grad. In der Wegleitung zu Art. 16 ArGV 3 empfiehlt das SECO bei stehender und gehender, leichter bis mittelschwerer Arbeit zwischen 18 – 21 Grad Raumtemperatur.

Angesichts der aussergewöhnlichen Situation hat die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK) Energiesparempfehlungen herausgegeben, die eine Begrenzung der Temperatur u.a. in Büros auf 20°C und in Werkstätten auf 17°C vorsieht (vgl. Empfehlungen vom 14. September 2022). Entsprechende Massnahmen dürften rechtmässig sein, wenn sie zwecks Bewältigung der Energiemangellage und daher nur vorübergehend angewendet werden.

Es wird in dem Zusammenhang daran erinnert, dass schwangeren Frauen und stillenden Müttern eine bequeme Liege in einem separaten Raum mit guten klimatischen Faktoren (Temperatur, Luftfeuchtigkeit usw.) zur Verfügung stehen muss; vgl. dazu die SECO-Wegleitung zu Art. 34 ArGV 3.

3. Können Arbeitnehmer die Arbeit am betrieblichen Arbeitsplatz verweigern, wenn die Heizung abgestellt wird?

Grundsätzlich können sie die Arbeit nicht einfach so verweigern: Denn die Arbeits- und Treuepflicht gebietet es den Arbeitnehmern, ihre Arbeit im Rahmen der vertraglichen Verpflichtungen gegen die Bezahlung von Lohn zu erbringen.

Die Arbeitnehmer, welche die Arbeit am betrieblichen Arbeitsplatz verweigern, sind zur Erbringung der Arbeit aufzufordern. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob bzw. was für Massnahmen zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer getroffen wurden oder zusätzlich zu treffen sind, damit diese sich an den einzelnen Arbeitsplätzen erwärmen können (vgl. dazu Art. 21 ArGV3).

Sofern der Arbeitnehmer darlegen kann, dass die Arbeitgeberin die notwendigen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer im Betrieb nicht ergriffen hat und Homeoffice möglich ist, ist die Leistung der Arbeit auch aus dem Homeoffice denkbar.

4. Wie sieht es beim Warmwasser bspw. zum Händewaschen aus: Kann ich dieses abstellen?

Art. 32 Abs. 4 ArGV 3 sieht vor, dass in der Nähe der Toiletten zweckmässige Einrichtungen und Mittel zum Waschen und Trocknen der Hände vorhanden sein müssen. Da diese Bestimmung sich nicht dazu äussert, dass in Toiletten-Anlagen Warmwasser vorhanden sein muss, kann die Arbeitgeberin – um freiwillig Strom zu sparen – auf die Aufbereitung von Warmwasser verzichten.

Vorbehalten sind Situationen, in denen für eine angemessene Reinigung oder aus Gründen des Gesundheitsschutzes Warmwasser erforderlich ist; z.B. bei Verschmutzung (durch Öl oder Fett) oder beim Umgang mit schädlichen Stoffen. Auf Baustellen muss der Arbeitgeber auch dafür sorgen, dass Waschbecken mit fliessendem, warmem und kaltem Wasser zur Verfügung stehen (vgl. Art. 31 ArGV 3)

5. Kann ich eine Weisung erlassen, dass privater Stromgebrauch am Arbeitsplatz verboten ist (z.B. Aufladen des Mobiltelefons)?

Ja, der Erlass einer solchen Weisung ist im Rahmen des Weisungsrechts der Arbeitgeberin zulässig (Art. 321d OR). Empfehlenswert ist es in diesem Zusammenhang, Regelungen bzw. die Handhabung von Kontrolle und Durchsetzung der Weisung zu treffen.

Sofern die Arbeitnehmer ihr Mobiltelefon auch für berufliche Zwecke nutzen, wäre eine solche Weisung jedoch unzulässig.

Alternativ zu einem Verbot wären mildere Massnahmen denkbar, wie etwa ein motivierender Aufruf oder Appell an die Belegschaft zum gemeinsamen Stromsparen inkl. Verzicht von privatem Stromgebrauch am Arbeitsplatz.

6. Kann ich das Aufladen von Elektroautos verbieten, wenn es auf dem Firmenparkplatz Stromsäulen gibt, die den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden?

Ja, sofern die Möglichkeit des elektrischen Aufladens nicht Teil der Vertragsbedingungen ist, kann diese von der Arbeitgeberin einseitig geändert; sprich gestrichen werden.

Da es sich hierbei um einen Vorteil handelt, der den Arbeitnehmern bedingungslos zur Verfügung gestellt wird, müssen diese jedoch frühzeitig darüber informiert werden, damit sie ggf. andere Vorkehrungen treffen können.

7. Darf die Cafeteria nur kalte Speisen servieren, obwohl sie sonst immer warme Speisen anbietet?

Abgesehen von Nachtarbeit ist die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, den Arbeitnehmern eine warme Mahlzeit abzugeben oder eine Kochgelegenheit für die Zubereitung warmer Mahlzeiten zur Verfügung zu stellen (Art. 46 ArGV 1).

In einigen Branchen sehen die GAV lediglich die Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung vor, wenn die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern keine warme Mahlzeit zur Verfügung stellt.

8. Kann ich die Abschaffung von Elektrogeräten anordnen, obwohl ich diese zur Verfügung gestellt habe (z.B. Kühlschrank, Kaffeemaschine, Wasserkocher, Mikrowelle)?

Art. 46 ArGV 1 sowie Art. 33 ArGV 3 sehen vor, dass den Arbeitnehmern, soweit ein Bedürfnis besteht, d.h. bei Nacht- oder Schichtarbeit, eine Essgelegenheit zur Verfügung stehen muss, wenn in der Umgebung des Betriebes (in einem Umkreis von ca. 800 m) keine angemessene Verpflegungsmöglichkeit vorhanden ist.

Diese Essgelegenheit umfasst geeignete Einrichtungen, um eigene Mahlzeiten und Getränke zu lagern und aufzuwärmen. In diesen Fällen ist es daher nicht möglich, auf Kühlschränke und Mikrowellen (oder auf andere Möglichkeiten zum Aufwärmen von Speisen) zu verzichten. Andere Geräte, wie etwa Wasserkocher und Kaffeemaschinen, sind nicht gesetzlich vorgeschrieben und könnten somit abgeschafft werden.

9. Kann ich die Garderoben und/oder Duschen abschliessen und den Arbeitnehmern den Zugang zu diesen Einrichtungen verweigern?

Ja, es sei denn, solche Räume sind gesetzlich vorgeschrieben. Dies ist z.B. der Fall bei Garderoben, wenn die Arbeitnehmer verpflichtet sind, für ihre Tätigkeit spezielle Kleidung zu tragen oder wenn die Tätigkeit eine erhebliche Beschmutzung oder Verunreinigung mit sich bringt (vgl. Art. 30 ArGV 3).

Dasselbe gilt für Duschen, sofern die Arbeit eine erhebliche Beschmutzung oder Verunreinigung mit sich bringt oder Arbeitnehmer starker Hitze ausgesetzt sind (vgl. Art. 31 ArGV 3).

10. Kann ich den Zugang zu Aufzügen verbieten, wenn Treppen zur Verfügung stehen?

Ja, wobei die Nutzung der Aufzüge für Menschen mit Behinderungen möglich bleiben muss (Art. 3 BehiG).

11. Welche rechtlich zulässigen Möglichkeiten habe ich, in meinem Betrieb freiwillig Strom zu sparen?

Grundsätzlich sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: Zu beachten ist in erster Linie der gesetzliche Gesundheitsschutz (vgl. dazu die vorangegangen Fragen). Sinnvoll ist die Vornahme einer betriebsweiten, ganzheitlichen Analyse von möglichen Massnahmen zur Senkung vom Stromverbrauch.

Empfehlungen

  • Informationskampagnen, Ideenwettbewerb zum Energiesparen, Tipps für energiesparendes Verhalten.
  • Vornahme einer ganzheitlichen Analyse von möglichen Massnahmen zur Senkung vom Stromverbrauch in der Firma.
Lohnfortzahlung

1. Wenn der Betrieb aufgrund von Stromnetzabschaltungen stunden- oder tageweise keinen Strom hat und somit punktuell nicht gearbeitet oder produziert werden kann: Ist der Lohn dennoch geschuldet?

Kann die Arbeit infolge Verschuldens der Arbeitgeberin nicht geleistet werden oder kommt diese aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, bleibt sie zur Lohnzahlung verpflichtet (Art. 324 OR).

Das Vorhandensein eines Verschuldens der Arbeitgeberin dürfte kontrovers diskutiert werden: Denn einerseits ist die Möglichkeit bzw. das Risiko eines Energieengpasses spätestens seit dem Jahr 2022 bekannt und müsste somit Teil eines Risikomanagements sein.

Andererseits ist fraglich, inwieweit die Arbeitgeberin im Rahmen des Betriebsrisikos bei behördlicher Anordnung zur Stromreduktion oder Netzabschaltungen in die Pflicht genommen werden darf, Überbrückungslösungen zur Stromzufuhr oder -erzeugung geplant oder umgesetzt zu haben.

2. Wie ist die Situation, wenn auf behördliche Anordnung hin flächendeckend bestimmte Betriebe schliessen müssen?

In diesem Fall ist die Lohnfortzahlung umstritten. Wir sind der Meinung, dass eine solche Anordnung, welche ganze Betriebszweige und Branchen betrifft, nicht mehr vom Betriebsrisiko der Arbeitgeberin gedeckt ist und keine Lohnfortzahlung auslöst.

Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung löst u.E. die allgemeinen Verzugsfolgen von Art. 119 OR aus, wonach gilt: «ohne Arbeit, kein Lohn». In dieser Situation gilt es über die Kurzarbeitsentschädigung den anrechenbaren Arbeitsausfall geltend zu machen (vgl. dazu die Fragen zu «Kurzarbeit»). Es ist anzunehmen, dass in einer derartigen Situation die Behörden ad hoc-Regeln erlassen werden.

Empfehlungen

  • Szenarien im Rahmen des Risikomanagements abbilden und Lösungsmassnahmen prüfen.
Kurzarbeit und anderweitige finanzielle Unterstützung

1. Kann bei behördlich bedingten Betriebsschliessungen, Gas- oder Stromausfällen oder aus anderen Umständen, die nicht von der Arbeitgeberin zu vertreten sind, für Arbeitnehmer eine Kurzarbeitsentschädigung geltend gemacht werden?

Grundsätzlich kann eine Kurzarbeitsentschädigung nur geltend gemacht werden, wenn der Arbeitsausfall auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist. In Härtefällen werden jedoch auch Arbeitsausfälle angerechnet, die auf behördliche Massnahmen oder andere von der Arbeitgeberin nicht zu vertretende Umstände zurückzuführen sind. So wurde bspw. die Covid-Krise als solcher Härtefall qualifiziert.

Im Zusammenhang mit der Energiemarktlage hat das SECO informiert, dass die Kurzarbeitsentschädigung auch bei Arbeitsausfällen infolge einer allfälligen Energiemangellage oder bei massiv steigenden Energiepreisen zur Anwendung gelangen kann. Das Unternehmen muss jedoch alle zumutbaren Massnahmen ergriffen haben, um Arbeitsausfälle zu vermeiden.

Die Gewährung von KAE setzt weiter voraus, dass ausserordentliche Umstände zu Arbeitsausfällen führen, welche nicht zum normalen Betriebsrisiko gehörend erachtet werden. Ob Arbeitsausfälle aufgrund von Energiepreissteigerungen als unvermeidbar und als zum normalen Betriebsrisiko gehörend eingeschätzt werden, ist im Einzelfall zu prüfen (vgl. Kurzarbeitsentschädigung im Kontext der aktuellen Energiemarktlage, Merkblatt für Betriebe auf arbeit.swiss ).

Schlussendlich gilt es abzuwarten, ob und wenn ja, was die Behörden im Zusammenhang mit der Strommangellage konkret für Massnahmen und Instrumente beschliessen werden.

2. Sind andere Finanzhilfen, wie bspw. staatlich abgesicherte Überbrückungskredite vorgesehen?

Für den Moment sind lediglich subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Stromunternehmen vorgesehen (vgl. FiREG). Die Gewährung möglicher Kredite oder Erwerbsausfallentschädigungen wird nur dann in Betracht kommen, wenn die Behörden spezielle Regelungen erlassen, wie sie es während der Covid-Krise getan haben.

Empfehlungen

  • Konsultieren Sie regelmässig die offiziellen Mitteilungen und Informationen, insb. via arbeit.swiss.

FAQ “Energiekrise & Arbeitsrecht” herunterladen

Die Ausführungen sind bewusst einfach und pragmatisch gehalten und als Orientierungshilfe zu verstehen. Sie ersetzen nicht eine eingehende juristische Prüfung im Einzelfall.

Weiterführende Informationenen: nützliche Links

BWL: Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung

OSTRAL: Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen

UVEK: Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

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