Newsletter Arbeitsrecht 012019

Frauenstreik 2019: der Aktionstag aus arbeitsrechtlicher Sicht

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich ausschliesslich auf eine rein juristische Sichtweise. Der geplante Streik wird weder gesellschaftlich noch politisch gewertet. Anders mag dies für den Arbeitgeber ausfallen. Er muss in sein Tun und Handeln allenfalls auch geschäftspolitische Aspekte einfliessen lassen.

Am 14. Juni 2019 wird gestreikt. Schweizweit gehen Frauen auf die Strasse und fordern Gleichberechtigung. Was bedeutet das nun für den Arbeitgeber? Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitgeber und Arbeitnehmende bei einem Streik zu beachten? Im Anschluss an eine Auslegeordnung zu den rechtlichen Grundlagen setzen wir uns mit praxisrelevanten Fragen auseinander.

Rechtliche Grundlagen
Die in der Bundesverfassung garantierte Koalitionsfreiheit erklärt den Streik als Ausprägung der Arbeitskampffreiheit für zulässig (Art. 28 BV). Die Zulässigkeit setzt allerdings voraus, dass der Streik „Arbeitsbeziehungen betrifft“ und „keine Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen“. Was bedeutet dies nun genau? Das Bundesgericht hat ein Streikrecht im schweizerischen Arbeitsrecht wiederholt bejaht. Der Streik muss jedoch rechtmässig sein. Nur die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik verletzt den Arbeitsvertrag nicht. Das Bundesgericht hat die Voraussetzungen eines legitimen Streiks folgendermassen definiert:    

1) Der Streik muss von einer Gewerkschaft getragen sein,

2) er verfolgt durch Gesamtarbeitsvertrag regelbare Ziele,

3) er verstösst nicht gegen Friedenspflichten und

4) er ist mit Blick auf das Streikziel verhältnismässig.

(vgl. für die umfassende, höchstrichterliche  Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen im Einzelnen BGE  125 III 277, 132 III 122 und aktuell Urteil BGer 4A_64/2018

Gerade das Erfordernis der Verhältnismässigkeit bietet natürlich Auslegungsspielraum und schafft dadurch Rechtsunsicherheiten. Ist eine Streikaktion nun verhältnismässig oder nicht? Die Ansichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden dürften interessensbedingt auseinander liegen. Im Streitfall wird stets ein Richter entscheiden, ob der Streik mit Bezug auf das Kampfziel verhältnismässig war. Die Rechtsprechung hat wiederholt bestätigt, dass ein Streik unverhältnismässig ist, wenn er das Ultima-ratio-Prinzip (Art. 6 EEG) verletzt, vorgängig also nicht alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden.

Ein weiterer Knackpunkt stellt die Friedenspflicht dar. In der Schweiz sieht die überwiegende Mehrheit der Gesamtarbeitsverträge eine absolute Friedenspflicht vor, obschon rechtlich nur eine relative Friedenspflicht vorgesehen ist (Art. 357a Abs. 2 OR). Bei der relativen Friedenspflicht bezieht sich der Verzicht auf Kampfmassnahmen auf alle im GAV geregelten Punkte. Die absolute Friedenspflicht bedeutet einen Verzicht auf jegliche Kampfmassnahmen während der Vertragsdauer. Ein Streik, den eine Gewerkschaft in Verletzung der Friedenspflicht auslöst, ist nicht mehr rechtmässig. 

Ist der Frauenstreik rechtmässig?
Zur Beurteilung der Rechtmässigkeit des Frauenstreiks sind die bundesgerichtlichen Voraussetzungen beizuziehen. Spielen wir es durch:

1)Der Streik wird von verschiedenen Gewerkschaften unterstützt.gsq
2)Der Frauenstreik verfolgt zwar eine Reihe von Zielen, die auf die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt ausgerichtet sind. Trotzdem ist er vor allem politisch motiviert. D.h. er richtet sich nicht primär gegen den Arbeitgeber und es geht nicht um Forderungen, die gesamtarbeitsvertraglich regelbar sind.rsq
3)Der Aufruf zum Frauenstreik erfolgt durch verschiedene Gewerkschaften (VPOD, SYNA, UNIA). Wo diese Gewerkschaften Gesamtarbeitsverträge mit vereinbarter Friedenspflicht abgeschlossen haben, wäre der Streik nicht mehr rechtmässig. Das dürfte jedenfalls bei Gesamtarbeitsverträgen mit absoluter Friedenspflicht gelten.rsq
4)Die Verhältnismässigkeit des Frauenstreiks ist eine knifflige Frage und dürfte massgeblich von der Art der gewählten Kampfmittel (Protestpausen, Kleiderstreik, Arbeitsniederlegung), deren zeitlichen Dauer und der betroffenen Berufsgruppe abhängig sein. Inwiefern sich im Streitfall die gesellschaftliche und politische Sensitivität auf die richterliche Auslegung auswirkt, ist nur schwer abzuschätzen.osq

Eine Subsumtion unter die bundesgerichtlichen Voraussetzungen zeigt, dass es sich beim Frauenstreik nicht um einen rechtmässigen Streik handeln wird. Nebst der Frage der Rechtmässigkeit, stellen sich für den Arbeitgeber konkrete Fragen, auf die nachfolgend eingegangen wird.

Kann ich die Teilnahme verbieten?
Die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik und die damit verbundene vorübergehende Arbeitsniederlegung stellt keine Verletzung der vertraglichen Arbeitspflicht dar. Als Arbeitgeber kann ich die Teilnahme somit nicht verbieten. Anders sieht es hingegen bei einem rechtswidrigen Streik aus. Hier stellt die Teilnahme eine Verletzung des Arbeitsvertrags dar. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die Teilnahme über das Weisungsrecht zu untersagen. Da es sich beim Frauenstreik nicht um einen rechtmässigen Streik handelt, kann ich die Teilnahme verbieten. Ein entsprechendes Verbot kann sich selbstverständlich nur auf die Teilnahme während eigentlicher Arbeitszeit erstrecken.   

Gibt es Alternativen zum Verbot?Der Arbeitgeber darf verlangen, dass eine Teilnahme am Streik in die Freizeit fallen muss. So kann die Teilnahme in Abstimmung mit dem Arbeitgeber etwa durch den Bezug eines Ferientages oder die Kompensation von Überstunden ermöglicht werden.

Gilt die Teilnahme als Arbeitszeit?
Gemäss Lehre und Rechtsprechung ist der Arbeitgeber während des Streiks nicht zur Lohnzahlung verpflichtet. Der Arbeitsvertrag gilt bei einem rechtmässigen Streik in seinen Hauptpflichten als suspendiert. Arbeits- und Lohnzahlungspflicht ruhen während des rechtmässigen Streiks und leben danach wieder auf. Im Sinne der Waffengleichheit kann der Arbeitgeber seinerseits Arbeitnehmende, die eigentlich arbeiten wollen, vorübergehend von der Arbeit ausschliessen (sog. Aussperrung). Dies z.B. weil aufgrund des Streiks die Aufrechterhaltung des ordentlichen Betriebs nicht mehr gewährleistet ist.

Kann ich als Arbeitgeber Schadenersatz verlangen?
Ein Schadenersatzanspruch kann nur bei einer Vertragsverletzung und somit durch Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik entstehen. In diesem Fall haftet der Arbeitnehmende gegenüber dem Arbeitgeber für den Schaden, der letzterem durch die Teilnahme am Streik entstanden ist. Der Beweis wird regelmässig schwierig zu führen sein.

Bin ich zur Kündigung berechtigt?
Spricht der Arbeitgeber aufgrund der Teilnahme an einem rechtmässigen Streik eine ordentliche Kündigung aus, ist diese rechtsmissbräuchlich. Bei einem rechtswidrigen Streik sieht es anders aus. Die Kündigung ist in diesem Fall nicht rechtsmissbräuchlich. Kürzlich hatte das Bundesgericht sogar die fristlose Entlassung von Streikteilnehmenden geschützt. Vorausgesetzt war allerdings eine vorgängige Abmahnung durch den Arbeitgeber.

Bei mir in der Kita arbeiten überwiegend Frauen. Muss ich die Kita am 14. Juni 2019 schliessen?Bei Berufsgruppen mit Betreuungs- und Fürsorgeaufgaben verlangt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit selbst bei einem rechtmässigen Streik, dass die Versorgung der betreuungsbedürftigen Personen gewährleistet ist. Die Streikenden sind also gehalten, sich so zu organisieren, dass die Betreuung sichergestellt bleibt. Dies kann etwa durch die räumliche, personelle oder zeitliche Einschränkung der Arbeitskampfmassnahmen geschehen.  

Darf ein Mann mitstreiken, um die Forderungen der Frauen zu unterstützen?
Die herrschende Lehre lehnt die Zulässigkeit des Sympathiestreiks ab.

Olivier Baumberger ist Rechtsanwalt und Berater für arbeitsrechtliche Fragen. Kontakt Tel: 058 796 99 09

Ablehnung der Vorlage zum Whistleblowing

Was ist passiert? Der Bundesrat verabschiedete am 21. September 2018 die Zusatzbotschaft zur Teilrevision des Obligationenrechts (OR). Mit den vorgesehenen Änderungen will der Bundesrat klare Verfahren und Regeln für das „Whistleblowing“ schaffen. Ziel ist es, dass Gesetzesverstösse und Missstände am Arbeitsplatz nicht unter den Teppich gekehrt, sondern Vorgesetzten und Behörden gemeldet werden. Die vorgeschlagene Whistleblowing-Bestimmung legt die Voraussetzungen für eine rechtmässige Meldung von Missständen am Arbeitsplatz fest. Dies soll mehr Rechtssicherheit schaffen und den Kündigungsschutz stärken.

Das Parlament führte anfangs April 2019 Anhörungen zur Bundesratsvorlage durch und lud dazu neben den Sozialpartnern auch diverse Experten aus dem Arbeitsrecht ein. In der Detailberatung spricht sich die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) nun gegen die Bundesratsvorlage aus. Die Kommission stellte insbesondere fest, dass die Vorlage auch nach der Überarbeitung noch sehr kompliziert und für betroffene Arbeitnehmer nur schwer verständlich ist. Hinzu kommt, dass sich in vielen privaten Unternehmungen in der Zwischenzeit bereits funktionierende interne Meldemechanismen etabliert haben. Deshalb beantragt die Kommission ihrem Rat, die Vorlage abzulehnen. Dies ist die Meinung der Kommission, der Nationalrat hat noch nicht entschieden.

Bei uns bleiben Sie auf dem Laufenden! Wir verfolgen die politische Debatte für Sie weiter.

[Weiterführende Informationen: Laufende Rechtsetzungsprojekte des BJ, Medienmitteilung RK-N vom 3. Mai 2019

Erwerbstätige bei der Betreuung von kranken Angehörigen entlasten

Am 22. Mai 2019 hat der Bundesrat die Botschaft zum Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege ans Parlament überwiesen. Die Betreuung von Angehörigen bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit ist nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen. Mithilfe des neuen Gesetzes soll diese Doppelbelastung entschärft werden. Welche entlastenden Massnahmen sind vorgesehen?

Die Vorlage des neuen Gesetzes sieht im Obligationenrecht einen neuen Artikel 329g E-OR vor, der die Lohnfortzahlung für die Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung während einer kurzen Abwesenheit von maximal 3 Tagen pro Ereignis, jedoch maximal 10 Tage pro Jahr, regelt. Bereits heute gibt es Unternehmen, die Kurzabsenzen für die Betreuung von verwandten und nahestehenden Personen gewähren und teilweise auch abgelten. Die neue Regelung soll für alle Erwerbstätige die gleichen Voraussetzungen und Rechtssicherheit schaffen.

Darüber hinaus ist die Einführung eines bezahlten Betreuungsurlaubs für Eltern von schwer kranken oder verunfallten Kindern geplant. Heute müssen Eltern entweder unbezahlten Urlaub beziehen, sich selbst krankschreiben lassen oder die Arbeit vorübergehend ganz aufgeben. Das neue Gesetz will diese Familien mit einem Betreuungsurlaub von 14 Wochen und Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung entlasten. Die Entschädigung wird in die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende und bei Mutterschaft integriert. Schliesslich wird mit dem neuen Gesetz der Anspruch auf Betreuungsgutschriften in der AHV ausgeweitet und die Auszahlung einer Hilflosenentschädigung und eines Intensivpflegezuschlags der IV für Kinder angepasst.

[Weiterführende Informationen: BR-Medienmitteilung vom 22. Mai]

Entgegennahme der Kündigung verweigert, was gilt?

Hin und wieder kommt es vor, dass Arbeitnehmer im Kündigungsgespräch die Annahme des Kündigungsschreibens verweigern. Nicht selten folgt anschliessend der Gang zum Hausarzt mit einer sofortigen Krankschreibung. Für den Arbeitgeber stellt sich in diesem Fall die Frage, ob die Kündigung in diesem Fall trotzdem wirksam ist?

Die Rechtsprechung sagt ja (s. etwa BGer 4A_89/2011 vom 27. April 2011). Als empfangsbedürftige Willenserklärung entfaltet die Kündigung ihre Wirkungen, sobald sie dem Adressaten zugegangen ist. Das Kündigungsschreiben geht im Zeitpunkt zu, in dem es in den Machtbereich des Adressaten gelangt und der Arbeitgeber unter normalen Umständen damit rechnen darf, dass ein gewissenhafter Arbeitnehmer davon Kenntnis nimmt. Vor diesem Hintergrund kann sich ein Arbeitnehmer der Kündigung nicht entziehen, in dem er deren Annahme verweigert. Auch eine gleichtägige Krankschreibung wird i.d.R. nichts an der Wirksamkeit der Kündigung ändern, kann jedoch aufgrund der ausgelösten Sperrfrist zu einer Unterbrechung der Kündigungsfrist führen. Wir empfehlen aus Beweisgründen, dass für das Kündigungsgespräch zusätzliche Personen beigezogen werden, die im Streitfall die Aushändigung der Kündigung sowie die Annahmeverweigerung bestätigen können.

Beschäftigen Sie solche oder andere arbeitsrechtliche Fragen? Wir sind für Sie da: http://www.guidedelemployeur.ch/de/

Was unsere Kunden sagen:
3 Fragen zur Beratungsleistung

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