Was muss ich als Arbeitgeber neu per Juli 2021 wissen?
Teil 1:
14-wöchiger Betreuungsurlaub für Eltern gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kinder
Ausgangslage
Der 14-wöchige Betreuungsurlaub für Eltern von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern ist eine der Massnahmen des Bundesgesetzes über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung. Pro memoria nochmals eine Übersicht über die am 1. Januar 2021 in Kraft gesetzten Massnahmen:
| Massnahmen Angehörigenbetreuung | Gesetzliche Grundlagen in Kraft seit Januar 2021 |
|---|---|
| Lohnfortzahlung bei kurzen Arbeitsabwesenheiten zur Betreuung von Angehörigen. | Art. 329h OR und Art. 36 Abs. 3 und 4 ArG |
| Gewährung von Betreuungsgutschriften durch die AHV auch bei leichter Hilflosigkeit und bei der Pflege der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners. | Art. 29septies AHVG |
| Anpassung des Intensivpflegezuschlags und der Hilflosenentschädigung der IV für Kinder. Inskünftig besteht der Anspruch weiter, wenn sich das Kind länger als einen Kalendermonat im Spital aufhält, sofern die Anwesenheit der Eltern im Spital notwendig ist und tatsächlich erfolgte. | Art. 42bis Abs. 4 IVG |
| EL-Bezüger/innen, die in einer Wohngemeinschaft leben, sollen Anspruch auf den gleichen maximal anrechenbaren Mietzins haben wie EL-Bezüger/innen, die in einem Zweipersonenhaushalt leben, dies unabhängig von der Grösse der Wohngemeinschaft | Art. 10 Abs. 1ter ELG |
Seit 1. Juli 2021 ist der 14-wöchige Betreuungsurlaub eingeführt. Dieser sieht vor, dass Eltern, die ein Kind betreuen, das wegen einer Krankheit oder eines Unfalls gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist, einen entschädigten Betreuungsurlaub beziehen können (Art. 329i OR). Dieser soll es den betroffenen Eltern ermöglichen, die Erwerbstätigkeit für eine bestimmte Dauer zu unterbrechen, ohne dass sie den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Einkommenseinbusse befürchten müssen. Der Betreuungsurlaub wird über die Erwwerbsersatzordnung (EO) entschädigt und kann zwischen den Elternteilen aufgeteilt werden.
Nachfolgend gehen wir auf die wichtigsten Punkte dieser neuen Betreuungsentschädigung kurz ein:
| Anspruchsberechtigte | Eltern eines minderjährigen Kindes, das wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist, die – die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen; und – im Zeitpunkt der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit: 1) Arbeitnehmende i.S.V. Art. 10 ATSG, 2) Selbständigerwerbende i.S.v. Art. 12 ATSG sind, oder 3) im Betrieb des Ehemannes oder der Ehefrau mitarbeiten und einen Barlohn beziehen. Pro Krankheit oder Unfall entsteht nur ein Anspruch (für beide Eltern zusammen). Krankheiten, die mit der Hauptkrankheit in Zusammenhang stehen, weil z.B. das Immunsystem geschwächt ist, sind keine neuen Krankheiten und damit kein neues Ereignis. Ein Rückfall, der nach einer längeren beschwerdefreien Zeit eintritt, gilt als neues Ereignis. Werden zwei Kinder aufgrund des gleichen Unfalls gesundheitlich schwer beeinträchtigt, entstehen zwei Ansprüche. |
| Gesundheitlich schwer beeinträchtigt | Gemäss gesetzlicher Definition gilt ein Kind bei Vorliegen folgender kumulativ erforderlichen Kriterien als gesundheitlich schwer beeinträchtigt: 1) Es muss eine einschneidende Veränderung des körperlichen oder physischen Zustandes eingetreten sein: Grundsätzlich soll die Betreuungsentschädigung eine akute Krankheitssituation mildern, aber auch im Falle einer starken Verschlechterung bei chronischen Krankheiten anwendbar sein. 2) Der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung ist schwer vorhersehbar oder es ist mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen: Mit dieser Voraussetzung geht die Vermutung einher, dass der Krankheitsverlauf sich über eine längere Dauer hinzieht. Eine Mindestdauer gibt es jedoch nicht. 3) Es besteht ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern: Dies umfasst auch das Beistehen bei Arzt-, Spitalbesuchen oder Besprechungen. 4) Mindestens ein Elternteil muss die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen: Die Notwendigkeit der Begleitung, Betreuung oder Pflege durch mindestens einen Elternteil ist mit dem Arztzeugnis zu bestätigen. |
| Rahmenfrist, Beginn und Ende des Anspruchs | Für den Bezug der Betreuungsentschädigung gilt eine Rahmenfrist von 18 Monaten. Die Rahmenfrist beginnt mit dem Tag, für den das erste Taggeld bezogen wird. Der Anspruch entsteht, wenn die obgenannten Voraussetzungen erfüllt sind. Er endet nach Ablauf der Rahmenfrist oder nach Ausschöpfung der Taggelder. Er endet vorzeitig, wenn die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Das gilt nicht für den Fall, wenn das Kind während der Rahmenfrist volljährig wird. |
| Form und Anzahl der Taggelder | Die Betreuungsentschädigung wird als Taggeld i.S. des EOG ausgerichtet. Innerhalb der Rahmenfrist besteht ein Anspruch auf max. 98 Taggelder. Pro fünf Taggelder werden zwei zusätzliche Taggelder ausgerichtet. Sind beide Elternteile erwerbstätig, so hat jeder Elternteil Anspruch auf höchstens die Hälfte der Taggelder. Sie können eine abweichende Aufteilung wählen. Die Entschädigung steht dem Elternteil zu, der den Urlaub bezieht. |
| Höhe des Taggelds | Das Taggeld beträgt 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das vor Beginn des Anspruchs erzielt wurde. Im Falle von Teilzeitpensen entspricht das Taggeld dem reduzierten Beschäftigungsgrad. D.h., dass das Taggeld auch für Tage ausgerichtet wird, die aufgrund des Teilpensums arbeitsfrei sind. Das Taggeld ist auf CHF 196.-/Tag begrenzt. Deckt die Betreuungsentschädigung aufgrund dieser Begrenzung nicht 80% des Lohnes, sind die Bestimmungen zur Lohnfortzahlung nach den Art. 324a und 324b OR anwendbar. |
| Verhältnis zu anderen Sozialversicherungen | Die Betreuungsentschädigung geht folgenden Sozialversicherungsleistungen vor: ALV, IV, UV und Militärversicherung (MV). Das Taggeld entspricht mindestens dem bisher bezogenen Taggeld, wenn bis zum Beginn des Anspruchs auf die Betreuungsentschädigung Anspruch auf ein Taggeld nach Art. 16b EOG (Mutterschaftsentschädigung), der ALV, IV, UV, MV oder nach KVG bestand. Wird ein Kind schwerkrank geboren, so besteht Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung und nicht auf die Betreuungsentschädigung. Ein Anspruch auf Betreuungsentschädigung kann allenfalls im Anschluss an die Mutterschaftsentschädigung entstehen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. |
| Anmeldung und Auszahlung | Die Anmeldung erfolgt bei der zuständigen Ausgleichskasse. Bei Angestellten reicht der Arbeitgeber die Anmeldung ein, Selbständigerwerbende oder Personen, die eine Taggeldversicherung erhalten, reichen die Anmeldung selbst ein. Der Anmeldung ist ein Arztzeugnis beizulegen, woraus die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Pflegebedarf hervorgeht. Für die Auszahlung ist nur eine Ausgleichskasse zuständig. Wenn sich die Elternteile den Anspruch teilen, ist die Ausgleichskasse des Elternteils zuständig, der das erste Taggeld bezieht. Zahlt der Arbeitgeber dem Elternteil während dem Betreuungsurlaub weiter einen Lohn aus, wird die Betreuungsentschädigung dem Arbeitgeber ausgezahlt. Ansonsten richtet sich die Auszahlung direkt an den Elternteil. |
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Teil 2:
Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen.
Ausgangslage
Mütter, deren Neugeborene unmittelbar nach der Geburt während mindestens drei Wochen im Spital bleiben müssen, konnten nach bisherigem Recht einen Aufschub der Mutterschaftsentschädigung beantragen (Art. 16c Abs. 2 EOG). Für die Dauer des Aufschubs sah das EOG bisher keine Mutterschaftsentschädigung vor. Ebenso wenig war die maximale Dauer des Aufschubs geregelt. Folglich stellte sich die Frage nach einer Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber nach Obligationenrecht (Art. 324a und 324b OR). In Bezug auf eine mögliche Lohnfortzahlungspflicht gemäss OR während der Dauer des Aufschubs gingen die Lehrmeinungen auseinander. Mit den Änderungen im EOG, die eine Verlängerung der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen vorsehen, wird die Situation entschärft.
Wir haben die wichtigsten Punkte der neuen Regelung für Sie zusammengetragen:
| Wer ist anspruchs-berechtigt? | Zunächst gelten die gewöhnlichen Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 16b EOG der Mutterschaftsentschädigung. Demnach ist eine Frau anspruchsberechtigt, die a) während der neun Monaten vor der Geburt i.S. des AHVG obligatorisch versichert war; b) in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat; und c) im Zeitpunkt der Geburt 1. Arbeitnehmerin i.S.v. Art. 10 ATSG, 2. Selbständigerwerbende i.S.v. Art. 12 ATSG ist, oder 3. im Betrieb des Ehemannes mitarbeitet und einen Barlohn bezieht. Damit eine Mutter Anspruch auf die länger dauernde Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung hat (Art. 16c Abs. 3 EOG i.V.m. Art. 24 EOV), muss sie mittels Arztzeugnis nachweisen, dass das neugeborene Kind unmittelbar nach der Geburt ununterbrochen während mindestens zwei Wochen im Spital bleiben muss. |
| Umfang der Verlängerung | Die Mutterschaftsentschädigung wird an 98 aufeinanderfolgenden Tagen ab Beginn des Anspruchs ausgerichtet. Bei längerem Spitalaufenthalt des neugeborenen Kindes verlängert sich die Dauer der Ausrichtung um die Dauer der Hospitalisation, höchstens aber um 56 Tage. Die Verlängerung um maximal 56 Tage wird an den 98-tägigen Mutterschaftsurlaub angefügt, so dass insgesamt höchstens 154 Taggelder ausgerichtet werden. |
| Was gilt bei arbeitslosen Müttern? | Eine Mutter, die im Zeitpunkt der Geburt arbeitslos ist oder infolge Arbeitslosigkeit die erforderliche Mindesterwerbsdauer nicht erfüllt, hat Anspruch auf die länger dauernde Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung, wenn sie 1. die Taggelder der Arbeitslosenversicherung vor der Geburt nicht ausgeschöpft hat und die Rahmenfrist für den Leistungsbezug am Tag nach Ende des Mutterschaftsurlaubs noch offen ist; und 2. ein Arztzeugnis nach Art. 24 EOV vorlegt. |
| Was gilt bei arbeitsunfähigen Müttern? | Für arbeitsunfähige Mütter ist keine separate Verordnungsbestimmung vorgesehen. Sie stehen für gewöhnlich in einem Arbeitsverhältnis und können gestützt auf den Arbeitsvertrag die Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung beantragen. Für sie gilt folglich Art. 24 EOV. |
| Ab wann gilt die Änderung? | Seit 1. Juli 2021 |
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