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Neue US-Zölle: And what now?

Neue US-Zölle: And what now? Das breite Spektrum der Zölle bringt die Wertschöpfungsketten durcheinander und ist mit hohen Risiken behaftet.

Neue US-Zölle: And what now? 31%: Mit dieser Höhe der Zollgebühren hat US-Präsident Donald Trump die Schweiz, die stark von ihren Exporten abhängig ist und für die die USA ein wichtiger Markt sind, hart getroffen. Deren vorübergehende Aussetzung ist nur ein schwacher Trost unter einem Damoklesschwert.

Die Schweiz als Exportland

Ist es denn nötig, das schon wieder zu predigen? Die Schweiz ist ein Exportland par excellence und verdient jeden zweiten Franken im Ausland. Wenn man die EU-Mitglieder nicht mitzählt, sind die USA unser grösster Exportmarkt, der bis 2023 auf CHF 56,7 Milliarden angestiegen ist. Die US-Importe belaufen sich dagegen auf CHF 29,7 Milliarden. Es ist genau diese Differenz, die Donald Trump nervt, da er auf die Handelsbilanz fixiert ist und die Investitionen in seinem Land ignoriert, bei denen die Schweiz immerhin an sechster Stelle steht. Und das nicht, ohne Handelshemmnisse abgebaut zu haben, zuletzt am 1. Januar 2024 mit der Abschaffung der Zölle auf Industriegüter. Auf 99% der aus den USA importierten Waren gibt es keine solchen Zölle mehr, und in diesem Zusammenhang von „Gegenseitigkeit“ zu sprechen, liesse sich nicht rechtfertigen.

Zölle, eine Lose-Lose-Situation

Die Aussetzung der neuen Zölle ist zwar schön, aber nur vorübergehender Natur; die 10%, die fast jeden treffen, bleiben in Kraft. Es handelt sich hierbei nicht um einen läppischen Wert. Die ersten Opfer der von der Trump-Regierung beschlossenen Zölle werden zwar die amerikanischen Verbraucherinnen und Verbraucher sein, aber das Ausmass und das breite Spektrum der Zölle bringen alle globalen Wertschöpfungsketten durcheinander. Nicht nur die Absatzmärkte sind betroffen, sondern auch die Lieferketten, weil viele Rohstoffe und Güter die USA durchqueren.

Mehrere strategische Sektoren sind tangiert. Im Pharmasektor ist das Schicksal der Branche in Erwartung künftiger Ankündigungen suspendiert. Der US-amerikanische Markt ist für sie sowohl in Bezug auf das Volumen als auch den Wert unumgänglich. Auch die Uhrenindustrie erzielt einen erheblichen Teil ihrer Verkäufe in den USA. Ebenso wie der Medtech- Sektor, Hightech-Werkzeugmaschinen und Nahrungsmittelprodukte mit hoher Wertschöpfung. Eine Erhöhung der Zölle könnte jedoch nicht nur ihre Konkurrenzfähigkeit verringern, sondern auch ihre Positionierung auf einem stark umkämpften Markt in Frage stellen. Besonders besorgniserregend wäre es, wenn die ursprünglich geplante Spanne zur internationalen Konkurrenz, die in weniger hoch besteuerten Ländern ansässig ist, letztlich bestehen bliebe.

Das Risiko ist alles andere als nur theoretischer Art: Im März zeigte eine Studie der Raiffeisenbank, dass ein Viertel der Schweizer KMU einen Rückgang ihrer Exportverkäufe in die USA von bis zu 20% erwarten, und fast 30% befürchten einen noch grösseren Umsatzrückgang. Diese Studie basierte auf einem Zollsatz von 10%, der sich nicht von dem unserer Konkurrenten unterscheidet. Er sollte auf keinen Fall verdreifacht werden. Neben den direkten Kosten sind es auch die Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit des internationalen Wirtschaftsklimas, die Sorgen bereiten. Wie soll man investieren, anstellen oder planen, wenn die Rahmenbedingungen von einem Tag auf den anderen kippen können?

Also: What now? Was genau ist zu tun?

Zunächst gilt es, auf diplomatischer Ebene weiterhin alles zu tun, um den von der US-Regierung beschlossenen Zollsatz so weit wie möglich zu senken. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hat letzte Woche ein Gespräch mit Donald Trump geführt. Einem Teil der US- Presse zufolge ein entscheidendes Gespräch, das Früchte trug, da der US-Präsident im Anschluss die Aussetzung ankündigte. Unsere Behörden müssen diesen Weg mit kühlem Kopf weiterverfolgen.

Zweitens müssen wir unverzüglich darangehen, unsere Handelsmöglichkeiten zu diversifizieren. Dazu gehört der Ausbau bestehender Märkte, für die bereits Abkommen geschlossen wurden, aber auch der Abschluss des Abkommens mit Indien sowie die Inangriffnahme neuer Freihandelsabkommen. Die diplomatischen Massnahmen müssen intensiviert und die Exportförderprogramme für Unternehmen kurzerhand auf andere Märkte umgeleitet werden. Die Fortsetzung stabiler und profitabler Beziehungen mit der Europäischen Union über die Bilateralen III erscheint notwendiger denn je.

Schliesslich müssen die Prioritäten in der Innenpolitik ohne Tabus neu überdacht werden. Die Zeit ist weder günstig für die Einführung neuer verpflichtender Normen, wie die Übernahme der EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), noch für die Verteuerung der Arbeitskosten durch mehrere parlamentarische oder Volksinitiativen. Besondere Sorgfalt muss den Rahmenbedingungen gewidmet werden, allen voran der Besteuerung.

So gut die Schweiz als Schülerin internationaler Handelsregeln ist, so verwundbar ist sie angesichts einer globalen Rückkehr zum Protektionismus. Während sie im Inland die richtigen Massnahmen ergreift, um eine prosperierende Wirtschaft zu sicherzustellen, muss sie sich auf internationaler Ebene für eine Diversifizierung der möglichen Handelsbeziehungen einsetzen und hoffen, dass der Orkan Donald aus dem Westen nur vorübergehend wütet.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “Neue US-Zölle: And what now?

Bundesamt für Statistik BFS: Unter der Führung des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit BAZG publiziert die Aussenhandelsstatistik Daten zu Ein- und Ausfuhren nach Handelspartner (Länder) und Güter.




Baptiste Müller,
Responsable politique formation

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