- Altersvorsorge, Parlament, Politik, Steuern, Wirtschaft - Pierre-Gabriel Bieri
AHV2030: Der Berg hat eine Maus geboren!
AHV2030: Der Berg hat eine Maus geboren. Anstelle einer tiefgreifenden Reform, die sich konsequent mit dem gesamten Finanzierungsbedarf der AHV, aber auch mit der Kostenkontrolle befasst, gleichen die vorgestellten Massnahmen eher einem Flickwerk. Man begegnet den dringendsten Problemen, indem man die Abgaben erhöht, das Parlament allein die schwierigsten Entscheidungen treffen lässt und die wirklichen Fragen auf eine „nächste Reform“ verschiebt..
„Erste Stossrichtungen“ im Mai, „Leitlinien“ im November
Da die AHV im Jahr 2021 nur über kurzfristige Finanzierungsaussichten verfügte, verabschiedete das Parlament die Motion 21.3462, in welcher der Bundesrat aufgefordert wurde, „dem Parlament bis zum 31. Dezember 2026 einen Entwurf zur Stabilisierung der AHV für den Zeitraum 2030 bis 2040 vorzulegen“. Zwischen den Zeilen war zu erkennen, dass die Parlamentarier eine tiefgreifende Reform forderten, welche die Finanzierung für die kommenden Jahrzehnte sicherstellt und den aktuellen Herausforderungen Rechnung trägt, denen sich die Versicherung stellen muss. Dabei dachte man vor allem an die Entwicklung der Alterspyramide und das wachsende Ungleichgewicht zwischen der Zahl der beitragszahlenden Erwerbstätigen und der Zahl der Rentenbezüger. In den letzten Jahren sind jedoch weitere Herausforderungen hinzugekommen: die Finanzierung der 13. Rente, die Kritik an der Begrenzung der Renten für Ehepaare und die Ausweitung der Hinterlassenenrenten. All diese Elemente hätten logischerweise in eine Gesamtüberlegung einfliessen müssen, die zu einer grundlegenden Reform geführt hätte, wie sie vom Parlament (und von zahlreichen anderen Akteuren und Beobachtern der Sozialversicherungen) gefordert wurde.
Leider liess die Aussicht auf diese grosse Reform auf sich warten, und das Parlament musste sich in der Zwischenzeit mit den neuen Forderungen an die AHV befassen und diese punktuell und kurzfristig angehen.
Im Mai 2025 veröffentlichte der Bundesrat schliesslich die „ersten Stossrichtungen” einer Reform mit dem Namen AHV2030. Die lange Vorbereitungszeit liess originelle und mutige Vorschläge erwarten, umso grösser war die Enttäuschung. Das demografische Ungleichgewicht wurde zwar festgestellt, aber es wurde lediglich eine Erhöhung der AHV-Einnahmen durch die üblichen Finanzierungsquellen, d.h. Lohnabgaben und Mehrwertsteuer, ins Auge gefasst. Vor einer Woche, am 26. November, präzisierte der Bundesrat seine Absichten und gab die „Leitlinien“ der Reform AHV2030 bekannt, die im Frühjahr 2026 in einem Vorentwurf konkretisiert werden sollen. Aber darin findet sich nichts wirklich Neues und keine Spur einer echten Grundsatzreform.
Mehr Einnahmen – ohne die Ausgaben in den Griff bekommen zu wollen
Diese Leitlinien zielen in erster Linie darauf ab, mehr Beiträge in Höhe von rund 700 Millionen Franken einzunehmen. Im Fokus stehen dabei insbesondere Selbständige und Arbeitnehmende eigener Unternehmen. Es geht auch darum, „Missbräuche zu bekämpfen“, indem „ungewöhnlich hohe Dividenden, die bestimmte Unternehmen an ihre Mitarbeiter-Aktionäre ausschütten“ (um AHV-Beiträge zu umgehen), aufgespürt werden. Der Bundesrat scheint zu ignorieren, dass es bereits Schutzmassnahmen gegen diese Praxis gibt und dass die AHV-Kontrolleure über die Mittel verfügen, um einen „versteckten Lohn“ zu korrigieren.
Nach dieser Aufforderung zu einer zusätzlichen Finanzierung erklärt die Pressemitteilung, dass nach derzeitigem Stand keine zusätzliche Finanzierung erforderlich sein wird, „wenn das Parlament eine nachhaltige Finanzierung der 13. Altersrente beschliesst“. Die derzeit in den Kammern diskutierte Lösung basiert jedoch auf einer „vorübergehenden“ Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte, und der Bundesrat legt hier den Grundstein für eine dauerhafte Erhöhung der Mehrwertsteuer, indem er sogar 0,2 Prozentpunkte Lohnbeiträge hinzufügt.
Es erübrigt sich also, neben diesen zusätzlichen Abgaben nach strukturellen Massnahmen zur Kostensenkung zu suchen. Der Bundesrat schliesst jede Anpassung des gesetzlichen Referenzalters aus. Im Gegenteil, unter den Vorschlägen findet sich eine Anpassung der Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, die zu einer Kostensteigerung führen dürfte. Die geplanten Massnahmen zur Förderung der Erwerbstätigkeit über das gesetzliche Referenzalter hinaus dürften keine nennenswerten Auswirkungen haben – im schlimmsten Fall könnten sie sich sogar als kostspielig erweisen.
“Diese Leitlinien zielen in erster Linie darauf ab, mehr Beiträge in Höhe von 700 Millionen Franken einzunehmen.”
Angesichts der Schwierigkeiten: die Aufschieberitis
Während das Parlament aufgefordert wird, keine neuen Finanzierungen „zusammenzuschustern” und auf die vom Bundesrat geforderte grosse Reform zu warten, scheint dieser die Parlamentarier sich selbst überlassen zu wollen, damit sie die schwierigsten unmittelbaren Entscheidungen allein treffen. Die Verantwortung für eine tiefgreifende Reform, die sich kohärent mit dem gesamten Finanzierungsbedarf, aber auch mit der Kostenkontrolle befasst, könnte der nächsten Generation überlassen werden.
Die einzigen Spuren der in diesem Jahr von Centre Patronal vorgelegten Vorschläge finden sich in sehr vager Form in der Erwähnung „alternativer Modelle“, die eine „Flexibilisierung des Referenzalters“ ermöglichen; Modelle, die der Bundesrat nicht in die AHV2030 aufnehmen will, aber möglicherweise „im Hinblick auf eine kommende Reform“ in Betracht zieht. Es ist lediglich vorgesehen, zusätzliche Daten zu erheben, welche die künftige Anwendung solcher Modelle ermöglichen würden, obwohl die in den jungen Jahren gezahlten Beiträge bereits bekannt sind und als Referenz dienen könnten. Es ist bereits denkbar, von einer „Skala 44” zu einer „Skala 45” überzugehen, ohne das tatsächliche Renteneintrittsalter für Arbeitnehmende zu erhöhen, die ihre Arbeitskarriere früh in einem beschwerlichen Beruf begonnen haben.
Die Reform der AHV ist eine schwierige Aufgabe, aber das ist kein Grund, sie auf unbestimmte Zeit aufzuschieben – und sich kurzfristig damit zu begnügen, den üblichen Beitragszahlern mehr Geld abzuknöpfen.