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Luftfahrt im CO2-Gesetz nach 2024: Fluch oder Segen?

Luftfahrt im CO2-Gesetz nach 2024: Fluch oder Segen?

In der Frühlingssession des Parlaments befindet sich das CO2-Gesetz für die Jahre 2025 bis 2030 in der Schlussphase. Ziel der Vorlage: Den CO2-Ausstoss der Schweiz bis 2030 im Vergleich zu 1990 zu halbieren. Das Beispiel der Luftfahrt zeigt, dass eine Dosis Realitätssinn in der Klimapolitik eher zum Ziel führt als Verbote, Steuern und Abgaben.

Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert

Vor drei Jahren erlitt das CO2-Gesetz an der Urne Schiffbruch, weil es einerseits von Verboten und Steuern sowie andererseits von Suvbentionsausschüttungen aus einem neuen Klimafonds geprägt war. Es war nie richtig klar, wer mit wieviel Geld subventioniert wird, wer wieviel einbüsst und wer wieviel Geld zurückbekommt. Das aktuelle CO2-Gesetz backt nun kleinere Brötchen, damit der Schutz des Klimas in der Bevölkerung mehrheitsfähig wird. Fraglich bleibt auch bei diesem Wurf, ob die Schweiz damit den Klimafahrplan für das Jahr 2030 einhalten kann. AEROSUISSE, der Dachverband der Schweizer Luft- und Raumfahrt, und seine Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Neutralität der Luftfahrt bis 2050 zu erreichen. Das Gleiche verlangt auch das Klimaschutzgesetz für die gesamte Schweiz.

Konkret heisst das für die Luftfahrt: Rund 5,7 Millionen Tonnen CO2 aus dem Flugverkehr (Stand 2019) einsparen; dies entspricht einem Anteil von etwa 11 Prozent an den CO2-Inlandemissionen der Schweiz. Der Anteil der weltweiten Luftfahrt an den CO2-Emissionen beträgt 2 bis 2,5 Prozent. Wie spart man bis 2050 mindestens 5,7 Millionen Tonnen CO2 ein? Die Instrumente dazu sind erneuerbare Flugtreibstoffe, alternative Antriebe, effizientere Flugzeuge, optimierte An- und Abflugverfahren und eine nachhaltige Weiterentwicklung der Flughafeninfrastruktur.

Der mit Abstand wichtigste Schlüssel zum CO2-neutralen Fliegen liegt in der Nutzung von Sustainable Aviation Fuels (SAF). Diese erneuerbaren Treibstoffe (biologisch oder synthetisch) haben den Vorteil, dass sie ohne technische Veränderungen direkt in den Triebwerken eingesetzt und von der bestehenden Infrastruktur transportiert werden können. Damit lassen sich zwischen 66 bis 94 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. Die Nachteile: Sie kosten drei- bis achtmal so viel wie herkömmliches Kerosin und sind noch kaum verfügbar!

„Mit dem neuen CO2-Gesetz hat es die Luftfahrt selbst in der Hand, der Politik und der Gesellschaft zu zeigen, dass der Weg zum CO2-neutralen Fliegen mit den richtigen regulatorischen Bedingungen und Anreizen zum Ziel führt.“

Ambition vs. Realität

Das CO2-Gesetz soll dies mit einer mit der EU abgestimmten Beimischquote für SAF ändern. Die SAF-Quote in der Luftfahrt soll die Technologieentwicklung und Skalierung von SAF entscheidend voranbringen. 2021 wurden weltweit rund 80’000 Tonnen SAF synthetisch hergestellt. Das entspricht 0,04 Prozent des Kerosinbedarfs aller Fluggesellschaften im Jahr 2021.

Gemäss EU-Vorgaben muss 2025 ein SAF-Anteil von 2 Prozent erreicht werden, der bis 2030 auf 5 Prozent und bis 2035 auf 20 Prozent ansteigen wird. Um die Mehrheit des Kerosinbedarfs im Jahr 2050 abdecken zu können, muss die Produktion von SAF jährlich um rund 30 Prozent zunehmen. Dafür sind global Investitionen von jährlich rund 100 Milliarden Franken notwendig.

Ein Startup aus der Schweiz, Synhelion, dass aus der ETH hervorgegangen ist, spielt auf dem Gebiet der Solartreibstoffe eine Pionierrolle. 2025 soll eine erste kommerzielle Anlage in Spanien mit einer Kapazität von 1,25 Millionen Litern pro Jahr folgen. Bis 2030 plant dieses Unternehmen bereits 875 Millionen Liter Solartreibstoff herzustellen. Die Hindernisse: Beim Hochfahren der Produktionskapazitäten hinkt die Branche hinterher, regulatorische Vorschriften stoppen den grossflächigen Einsatz, Risikokapital fehlt. Das grösste Handicap der synthethisch und nicht biogen hergestellten Treibstoffe: Sie brauchen grosse Mengen an sauberem Strom.

Top oder Flop

Die Branche ist jetzt gefordert, den Graben zwischen dem Ziel CO2-Neutralität und der aktuellen geringen Verfügbarkeit von SAF zu schliessen. Gelingt ihr das nicht, dürfte die Politik mit noch einschneidenderen Massnahmen reagieren. Im Falle der Luftfahrt stehen Steuern auf Flugtickets und Beschränkungen der Flughafenkapazitäten im Giftschrank bereit.

Mit dem neuen CO2-Gesetz hat es die Luftfahrt selbst in der Hand, der Politik und der Gesellschaft zu zeigen, dass der Weg zum CO2-neutralen Fliegen mit den richtigen regulatorischen Bedingungen und Anreizen zum Ziel führt. Die Beimischquote zwingt die Branche zu Investitionen. Das Geld dafür muss in einem globalen Geschäft erwirtschaftet werden, wo die Konkurrenz ausserhalb von Europa ohne Beimischquote fliegt und so dank niedrigeren Treibstoffkosten einen Wettbewerbsvorteil hat.

Aber vor allem: Was die Branche nicht braucht, ist eine Politik, die schon vor dem Inkrafttreten des neuen CO2-Gesetzes die Alarmglocke läutet und Steuern auf Flugtickets fordert. 

Weiterführende Informationen:

AEROSUISSE: Positionspapiere



Philip Kristensen,
Verbandsmanager

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