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Gesundheitskosten: gute und schlechte Ideen

Gesundheitskosten: gute und schlechte Ideen. Das Bild zeugt ein Team im Operationssaal.

Gesundheitskosten: gute und schlechte Ideen. Die schmerzhafte Höhe der Krankenversicherungsprämien spiegelt vor allem die extreme Bedeutung wider, die unsere Gesellschaft der Gesundheit beimisst. Es zeigt aber auch die Grenzen der kollektiven Verantwortung auf. Auch wenn es keine Wunderlösung gibt, so gibt es doch intelligente – und noch nicht ausgeschöpfte – Denkansätze, um die Anstrengungen besser zu verteilen und die Gesundheitskosten zu dämpfen.

Die Grenzen der kollektiven Verantwortung

Es ist aktuell „das“ heisse Thema: Die Krankenkassenprämien werden 2024 erneut massiv steigen – je nach Kanton unterschiedlich stark, im Schweizer Durchschnitt jedoch um 8,7%. Der Bundesrat erinnerte in seiner Mitteilung vom 26. September daran, dass dieser Anstieg „auf die Kosten zurückzuführen ist, die seit der zweiten Jahreshälfte 2021 und insbesondere in diesem Jahr stärker gestiegen sind als erwartet. Die Zunahme der Arztbesuche, der ambulanten Leistungen in Spitälern sowie der Medikamentenpreise haben diese hohen Kosten verursacht. Die Kostendämpfung bleibt daher eine zentrale Aufgabe für alle beteiligten Akteure, damit die Gesundheitsleistungen für die Bevölkerung finanziell tragbar bleiben.“

Jeder kommentiert die Ursachen für diesen schmerzhaften Anstieg und zeigt mit dem Finger auf die vermeintlichen Schuldigen. Die Versicherungen natürlich, die beschuldigt werden, nicht transparent zu sein, ungerechtfertigte Reserven anzuhäufen und die Politik zu kontrollieren. Dann die Patienten, die auf Kosten der Allgemeinheit für jedes Wehwehchen ins Krankenhaus gehen und übermässig viele Medikamente brauchen. Und schliesslich die Ärzte, die zu viele Konsultationen abhalten und ihren Patienten unnötige Behandlungen verschreiben. In jeder Kategorie sind gewisse Missbräuche nachgewiesen und dokumentiert, aber ihr Ausmass ist schwer zu beziffern und es ist schwer abzuschätzen, inwieweit sie die Gesundheitskosten belasten. Hier stösst man an die Grenzen der kollektiven Verantwortung: Jeder hat das Gefühl, für die anderen zu zahlen, jeder glaubt, dass die anderen das Gesundheitssystem missbrauchen, und jeder glaubt, dass sein eigenes Verhalten nichts am Gesamtergebnis ändern wird.

Es gibt jedoch andere Risiken, die kollektiv versichert sind und viel weniger kosten. Aber die Gesundheit nimmt in unserer Gesellschaft einen besonderen Platz ein. Die Risiken, die sie bedrohen, gehören zu den am meisten kommentierten, am meisten beobachteten und am meisten gefürchteten Risiken. Das Recht auf ein gesundes Leben wird als grundlegend angesehen. Und man vertraut auf den Fortschritt der Wissenschaft und der Medizintechnik, um alle Krankheiten zu besiegen und allen Menschen ein gesünderes und längeres Leben zu ermöglichen. Diese kollektive Entscheidung für eine fortschrittliche Gesellschaft hat zwangsläufig einen hohen Preis. 

Eine bereits vorhandene solidarische Dimension

Im Jahr 2021 beliefen sich die Gesundheitskosten in der Schweiz auf 86 Milliarden Franken, was 11,8% des schweizerischen BIP entspricht. 36 Milliarden gingen zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung, 23 Milliarden zu Lasten der öffentlichen Hand und 22 Milliarden wurden direkt von den Patienten bezahlt. Man kann sich zu Recht fragen, ob es möglich ist, diese Kosten zu senken oder sie anders zu verteilen.

Die Verteilung zu ändern, mag einfach erscheinen. Manche meinen, es würde genügen, „die Reichen zur Kasse zu bitten“, indem man einkommensabhängige Versicherungsprämien einführt. Dies wäre ein Kahlschlag für die Mittelschicht, deren Prämien in die Höhe schnellen würden. Der Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und der Höhe der Prämien würde noch schwächer werden, was zu einer allgemeinen Verantwortungslosigkeit und damit zu einem tendenziellen Anstieg der Kosten führen würde.

Man darf nicht vergessen, dass der heute vom Staat gezahlte Anteil – die oben erwähnten 23 Milliarden, aber auch die Subventionen für die Versicherungsprämien geringverdienender Steuerzahler – bereits einen „solidarischen“ Beitrag darstellt, der sehr weitgehend von der Mittel- und Oberschicht finanziert wird. Man könnte höchstens die Belastung der Versicherungen und die Belastung der öffentlichen Hand (von der einige über Reserven verfügen, die es ihnen ermöglichen würden, nicht automatisch die Steuern zu erhöhen) etwas ausgleichen. Hier stösst man insbesondere auf das berühmte Projekt „EFAS“ (das immer noch nicht abgeschlossen ist, wie man leider jedes Jahr schreibt!), das eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen anstrebt, um die Versicherungen zu entlasten. Die Förderung der ambulanten Behandlungen hat einen kostendämpfenden Effekt. Diese Vorlage, die die Kosten besser verteilt und insgesamt senkt, muss daher unbedingt umgesetzt werden.

“Es muss auf die hohen Kosten der Krankenhäuser hingewiesen werden, insbesondere in den Kantonen, in denen eine eher etatistische als liberale Sichtweise vorherrscht.”

Eine Fülle von Ideen zur Kostensenkung

Die Senkung der Gesundheitskosten bleibt ein lobenswertes Ziel. Über die bereits erwähnte Förderung der ambulanten Pflege hinaus müssen andere Wege geprüft werden, insbesondere solche, die die Eigenverantwortung des Einzelnen stärken. Man kann auf den Katalog der von der Grundversicherung gedeckten Behandlungen einwirken, indem man ihn weiter einschränkt. Man kann auch auf die Selbstbehalte einwirken, auf verschiedene Weise, aber indem man sie zumindest über mehrere Jahre blockiert, um zu verhindern, dass sie punktuell vor einem medizinischen Eingriff gesenkt werden können. Ein weiterer denkbarer Weg ist die Durchsetzung des sogenannten Hausarztmodells. Oder das Kopfpauschale-Modell (Jahrespauschale pro Versicherten) zuzulassen, das in mehreren Einrichtungen getestet werden soll.

Die Idee einer Einheitskasse, die von etatistischen Kreisen propagiert wird, ist uninteressant und verspricht keine Senkung der Gesamtkosten. Hingegen muss auf die hohen Kosten der Spitäler hingewiesen werden, insbesondere in Kantonen, in denen eine eher etatistische als liberale Sichtweise vorherrscht. In diesem Bereich wäre eine bessere interkantonale Planung willkommen und würde nicht unerhebliche Auswirkungen haben.

Keiner dieser Wege stellt eine Wunderlösung dar. Aber wenn man sie alle zusammennimmt, wäre es möglich, die Belastung der Versicherten zu verringern.

Themenverwandt:

Martin Kuonen, 30.01.2019, EFAS – eigentlich JA, aber bitte richtig!

Die Volkswirtschaft, Jürg Schlup, 20.06.2020: Gesundheitspolitischer Perspektivenwechsel?



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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