- Parlament, Politik, Steuern, Wirtschaft - Pierre-Gabriel Bieri
Unternehmensabgaben Radio-TV: ein absurdes Gebührensystem

Unternehmensabgaben Radio-TV: ein absurdes Gebührensystem. Es wird viel über die Gebühren für Radio- und Fernsehen der Haushalte gesprochen und nicht genug über die von Unternehmen gezahlten Radio-TV-Gebühren, für welche die Suche nach Zahlenmaterial mühsam ist. Indem die Politik oft hohe Beiträge von einer geringen Anzahl von Unternehmen zahlen lässt, versucht sie, den Widerstand und Protest zu schwächen und ein ungerechtes, grösstenteils gar absurdes Gebührensystem aufrechtzuerhalten.
Lastenverschiebung von den Haushalten auf die Unternehmen
Lange Zeit wurde die Radio- und Fernsehgebühr nur dann erhoben, wenn man ein Empfangsgerät besass. Nicht nur Haushalte, sondern auch Unternehmen waren verpflichtet, Rundfunkgebühren zu entrichten. Bei Unternehmen wurde zwischen dem gewerblichen Empfang (für das eigene Personal) und dem kommerziellen Empfang (für Gäste, z. B. in Hotels oder Restaurants) unterschieden. Der kommerzielle Empfang war in drei Tarife gestaffelt, die sich nach der Anzahl der verwendeten Geräte richteten.
Wenn keine spontane Meldung bei der Erhebungsstelle erfolgte, führte diese Kontrollen durch, um festzustellen, ob Empfangsgeräte vorhanden waren oder nicht. Diese Kontrollen waren für die betroffenen Personen unangenehm, in Unternehmen manchmal kafkaesk und mit der Vervielfachung und Diversifizierung der verschiedensten Empfangsmittel regelrecht umständlich geworden. Aus diesem Grund wurde mit dem neuen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG), das 2019 in Kraft trat, die allgemeine Erhebung von Rundfunkgebühren von allen Haushalten und Unternehmen eingeführt. Während die Höhe der Gebühren für Haushalte pauschal blieb, wurde für Unternehmen – ohne wirkliche Begründung – ein progressiver Tarif eingeführt, der sich nach ihrem Umsatz richtet; bis zu einem Umsatz von 500’000 sind Unternehmen steuerbefreit, danach steigt die Gebühr über 18 Stufen von 160 bis 50’000 Franken pro Jahr an.
Mit dem alten System waren rund 100’000 Unternehmen steuerpflichtig und brachten damit rund 40 Millionen Franken ein, was 3% des Gesamtertrags der Radio- und Fernsehgebühren entspricht. Mit dem neuen System, das seit 2019 in Kraft ist, stieg die Zahl der steuerpflichtigen Unternehmen auf rund 140’000 (fast 148’000 im Jahr 2024) und ihr Gebührenertrag erreichte 170 bis 180 Millionen Franken, was 12 bis 13% des Gesamtaufkommens entspricht (bei Betriebskosten der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Höhe von 3 bis 4 Millionen). Das neue RTVG hat also insgesamt zu einer Lastenverschiebung von den Haushalten zu den Unternehmen geführt.
Unternehmensabgabe von allen Seiten bestritten
Die Unternehmen haben die Rechtfertigung für ihre Gebührenpflicht immer wieder in Frage gestellt, insbesondere mit der Begründung, dass die im beruflichen Umfeld verfügbaren Radio- und Fernsehprogramme auch Personen zugutekommen, die bereits privat Gebühren zahlen. Nach der Umstellung auf das neue System wurde auch das Prinzip der umsatzabhängigen Gebühr (und nicht der gewinnabhängigen Gebühr, also der Gebühr nach der Steuerkraft) angefochten, diesmal auch vor Gericht. Doch die Politik, die zufrieden war, dass sie den Beitrag der Unternehmen erhöhen konnte, um einen Teil der Gebührensenkung der privaten Haushalte auszugleichen, stellte sich taub.
Im Jahr 2018 scheiterte in der Volksabstimmung die Initiative „No Billag“, die die vollständige Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren forderte. Kurz darauf wurde eine zweite Initiative mit dem Titel „200 Franken sind genug“ gestartet, die eine Senkung der Gebühren für Haushalte um gut einen Drittel sowie die Abschaffung der Gebühren für Unternehmen fordert. Diese Initiative findet eine gewisse Unterstützung, da sie weniger extrem ist als „No Billag“ und weil die SRG die Kritik an ihr weiterhin ignoriert.
Die Initiative „200 Franken sind genug“ ist zustande gekommen und befindet sich seit Juni 2024 in der parlamentarischen Beratung. Zur gleichen Zeit hat der Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag vorgelegt, der darin besteht, die Haushaltsabgabe auf 300 Franken (von heute 335) zu senken und die Anzahl der abgabepflichtigen Unternehmen zu verringern (die Schwelle für die Abgabepflicht würde von heute 500’000 auf 1,2 Millionen Franken Umsatz angehoben).
Anfang dieses Jahres versuchte die Kommission des Nationalrats zweimal vergeblich, die Unternehmensabgabe zu Fall zu bringen.
Parlament scheitert mit optimalem Gegenvorschlag
Mit dem Vorschlag des Bundesrates bleiben rund 85’000 Unternehmen weiterhin abgabepflichtig (heute 148’000) und der Ertrag aus der Unternehmensabgabe würde auf 160 Millionen sinken (heute 170). Anfang dieses Jahres versuchte die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF-N) zweimal vergeblich, einen Schritt weiterzugehen und die Unternehmensabgabe ein für alle Mal abzuschaffen: Sie reichte im Januar eine erste parlamentarische Initiative ein (die im Februar von der Ständeratskommission (KVF-S) abgelehnt wurde) und im März eine zweite (die im April ebenfalls von der KVF-S abgelehnt wurde). Dieser bedauerliche Misserfolg bedeutet, dass nur der Vorschlag des Bundesrates als Gegenentwurf vorgelegt wird und dass nur die Initiative „200 Franken sind genug“ die Aussicht auf eine echte Abschaffung der Unternehmensabgabe bietet.
Es ist unverständlich, warum ein Teil der Politik so sehr an der Unternehmensabgabe festhält.
- Erstens ist ihr Ertrag nicht entscheidend für das Funktionieren der öffentlich-rechtlichen Medien – es sei daran erinnert, dass sich der Gesamtertrag der Radio- und Fernsehgebühren auf rund 1,4 Milliarden Franken beläuft.
- Zweitens ist das Prinzip an sich, Unternehmen zur Kasse zu bitten, fragwürdig – man könnte höchstens die Beibehaltung einer Gebühr für kommerzielle Zwecke zulassen, wenn Unternehmen für ihre Kunden Programme ausstrahlen.
- Drittens ist der aktuelle Tarif, der die Unternehmen nach ihrer Grösse und nicht nach ihrer Steuerkraft einstuft, vom Bundesgericht beanstandet worden und muss früher oder später geändert werden.
Wäre es nicht an der Zeit, dieser absurden Übung endlich ein Ende zu setzen?
Weiterführende Information zu “Unternehmensabgaben Radio-TV: ein absurdes Gebührensystem“:
Zuständigkeit Unternehmensabgaben seit 2019: Eidg. Steuerverwaltung ESTV
Bundesgericht, Medienmitteilung vom 20.12.2024: Tarife der Unternehmensabgabe für Radio und TV verfassungswidrig – aber weiter anwendbar