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- Bern - Markus Hugentobler

Besteuerung multinationaler Unternehmensgruppen: Sachzwänge und Paradigmenwechsel

Besteuerung multinationaler Unternehmen: Sachzwänge und Paradigmen

Das OECD-/G20-Projekt zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft stellt die Schweiz vor gewichtige Herausforderungen. Der Bundesrat will die Regeln der Mindestbesteuerung für multinationale Grosskonzerne aufgrund von Sachzwängen rasch umsetzen, auch wenn die Schweiz dazu weder rechtlich noch politisch verpflichtet ist und im Detail noch vieles unklar erscheint.

Sachzwänge

Am 20. April 2022 lief die Vernehmlassungsfrist zum Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft) ab. Anders als der Projekttitel es vermuten liesse, sind nicht nur die digitalen Unternehmen davon betroffen sind, sondern alle, insofern sie die Kennzahlen überschreiten. Finanz- und wirtschaftspolitische Gesichtspunkte gebieten eine Umsetzung bereits per 1. Januar 2024. Auch wenn die Schweiz weder rechtlich noch politisch dazu verpflichtet ist, hat sie kaum andere Wahl, als den internationalen Steuerregeln Folge zu leisten.

Der vorgeschlagene Artikel 129a der Bundesverfassung (BV) soll den Unterschied in der Besteuerung gegenüber anderen Staaten aufheben. Der Bundesrat will die Regeln der Mindestbesteuerung für multinationale Grosskonzerne umsetzen. Dabei handelt es sich um Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe, die einen konsolidierten jährlichen Umsatz von 750 Millionen Euro erreicht. Weiter will er mit einer vorausschauenden Umsetzung die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz erhalten. Darüber hinaus sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in der Schweiz erhalten bleiben. Auch soll der richtigerweise der Steuerföderalismus aufrechterhalten werden.

Neben der Mindestbesteuerung verlangt Art. 129a BV, dass sich der Bund an internationalen Standards und Modellregelungen orientiert. Unterschreiten die massgebenden Steuern der Geschäftseinheiten in der Schweiz oder einem anderen Steuergebiet gesamthaft den Mindeststeuersatz von 15 Prozent der massgebenden Gewinne, so soll der Bund gemäss Art. 197 BV zum Ausgleich der Differenz zwischen dem effektiven Steuersatz und dem Mindeststeuersatz eine Ergänzungssteuer erheben.

Gefahr negativer Auswirkungen eines Paradigmenwechsels

Die Mindestbesteuerungsregeln für grosse multinationale Konzerne stellen eine Herausforderung für den Wirtschaftsstandort unseres Landes dar. Dies gilt genauso für die Steuerverwaltungen, sowohl auf Bundes- als auch auf kantonaler Ebene. Es ist unerlässlich, dass die in der Schweiz ansässigen Unternehmen aufgrund des bevorstehenden Paradigmenwechsels keinen zusätzlichen negativen Folgen ausgesetzt werden. Die direkt mit den neuen Besteuerungsformen zusammenhängenden kann die Schweiz – leider – aufgrund der Sachzwänge nicht beeinflussen.

Hinsichtlich der Besteuerungsgrundsätze muss sich die Besteuerung der betroffenen Unternehmen (grosse multinationale Unternehmensgruppen) strikt auf den von den internationalen Regeln vorgegebenen Rahmen beschränken. Dies unabhängig davon, ob es sich um Umsatzschwellenwerte, das Steuerobjekt, den angewandten Steuersatz oder andere Steuerfaktoren handelt. Zur Ermittlung des zusätzlichen Besteuerungsumfangs zwischen der aktuellen Besteuerung und der Mindestbesteuerung bleibt nichts anderes übrig, als auf die Berechnungsgrundlagen der OECD- und G20 zurückzugreifen.

Der Zeitplan für die Umsetzung muss sich so eng wie möglich an jenen für das Inkrafttreten der neuen Regeln in der Europäischen Union und den anderen OECD-Ländern halten. Hier geht es darum, schwierige Situationen in steuerlicher oder administrativer Hinsicht und damit einhergehende Zusatzkosten für die in unserem Land ansässigen Unternehmen zu vermeiden.

Ergänzungssteuer zur (Wieder-)Attraktivierung der Schweiz

Die Schätzungen im Bericht gehen von zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von 1 bis 2,5 Milliarden Franken aus. Hievon kommen in Abzug die Mindereinnahmen, die ein durch die Ergänzungssteuer bedingter Verlust an Standortattraktivität für in der Schweiz tätige Unternehmensgruppen bewirken könnte. Im Vergleich mit den anderen OECD- und den G20-Ländern zählen zu den Vorteilen der Schweiz eine gute Infrastruktur, sowohl im Bereich des Verkehrs (im Inland und ausländische Anbindung) als auch im Bereich des Angebots vor Ort. Nachteilig erscheinen sehr hohe Arbeitskosten, insbesondere im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, sowie hohe Kosten für den Bau, die Einrichtung sowie den Betrieb von Unternehmen. Auch punkto Verfahrensdauer und Komplexität ist die Schweiz keine Vorreiterin.

Aufgrund der neuen Regeln wird es schwieriger werden, neue Unternehmen anzusiedeln, und für die bereits niedergelassenen wird es verlockender, in andere Rechtsordnungen auszuweichen. Bei der Aufrechterhaltung der Attraktivität müssen deshalb vor allem die Rahmenbedingungen für die Unternehmen im Fokus stehen, weiter die Arbeitsplätze, die sie bereitstellen, aber auch mögliche Folgeaufträge. Wegen der von der Einführung einer nationalen Ergänzungssteuer zu erwartenden Nachteile ist es geboten, die Mehreinnahmen in Massnahmen zur Erhaltung der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu investieren.

Weiterführende Informationen:

Vernehmlassung 2022/6

Begehrlichkeiten um internationale Steuern



Markus Hugentobler,
Verbandsmanager Rechtsberatung / Referent

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