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WHO: Keine Einmischung in die Steuersouveränität der Länder

WHO: Keine Einmischung in die Steuersouveränität der Länder. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat am 5. Dezember 2023 ein technisches Handbuch zur Alkoholsteuerpolitik und -verwaltung veröffentlicht. Sie fordert die Länder auf, die Alkoholbesteuerung zu erhöhen. Nebst der fragwürdigen Wirkung der Alkoholbesteuerung ist eine solche Einmischung auch aus demokratischen Gründen zurückzuweisen.

Technisches Handbuch und globale Datenbank

Die WHO fordert die Länder auf, die Besteuerung alkoholischer Getränke mit dem einzigen Ziel zu erhöhen, den Alkoholkonsum zu verringern und die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Dabei weist sie darauf hin, dass Steuern ein zu wenig genutztes Instrument zur Förderung gesünderer Verhaltensweisen sind. Die Besteuerung wird als eine Win-Win-Win-Strategie bezeichnet: Sie sei ein Gewinn für die Gesundheit (Verringerung des Alkoholkonsums), für die Regierungen (höhere Einnahmen) und für die gesundheitliche Gleichheit.

Nach Ansicht der WHO sollen die Daten zeigen, dass der globale Steuersatz für alkoholische Getränke zu niedrig sei und erhöht werden müsse. Darüber hinaus weist die WHO darauf hin, dass Wein in mindestens 22 der 148 Länder, von denen die meisten in der Europäischen Region liegen, von Verbrauchssteuern befreit ist.

Gegen die Steuerpolitik der WHO zu sein hat nichts mit Desinformation, jedoch sehr viel mit demokratischer Meinungsbildung zu tun.

Fragwürdige Wirkung von Alkoholsteuern

Zu Recht kann die Wirkung von Alkoholsteuern hinterfragt werden. Meistens wirken verhaltensbezogene Steuern in der Realität enttäuschend anders, als auf dem Reissbrett angedacht. Die Auswirkungen der Besteuerung von Lastern sind schwer zu messen, nicht zuletzt wegen der Kombination mit einer Regulierungspolitik, welche die Unterscheidung der jeweiligen Auswirkungen erschwert. Und wie meistens bei staatlichen Verhaltensregulierungen führt auch die Besteuerung zur Entwicklung paralleler Märkte – der Schweizer Einkaufstourismus in unsere Nachbarländer spricht Bände dazu.

Schliesslich benachteiligen Alkoholsteuern die Gesellschaftsschichten mit tiefen Einkommen, ohne dass diese Besteuerung zur Bekämpfung des schädlichen Alkoholkonsums wirksam zu sein scheint, da exzessive Trinker, einschliesslich junger Menschen, offenbar am wenigsten auf Preisänderungen reagieren.

Unternehmen gehören zum demokratischen Meinungsbildungsprozess

Im Handbuch wirft die WHO den Unternehmen, welche alkoholische Getränke herstellen, Desinformation zur Beeinflussung der Steuer- und Preispolitik vor und beschreibt fast schon aktivistisch die besten Methoden, um diesen zu begegnen. Wie oben aufgezeigt gibt es aber gute Gründe, die gegen die Alkoholsteuerpolitik der WHO sprechen. Und diese Argumente werden auch von freien Bürgerinnen und Bürgern vorgetragen, nicht nur von Unternehmen.

Gegen die Steuerpolitik der WHO zu sein hat nichts mit Desinformation, jedoch sehr viel mit demokratischer Meinungsbildung zu tun. Vielmehr ist es Ausdruck des kontradiktorisch geführten gesellschaftlich-politischen Meinungsbildungsprozesses, an dem alle Akteure der Gesellschaft teilhaben – nicht nur politische Entscheidungsträger und Staatsverwaltung, sondern vor allem auch die einzelnen Bürgerinnen und Bürger genauso wie Interessengruppierungen, politische Parteien und erst recht wirtschaftliche Unternehmen. Als Arbeitgeber, Innovationstreiber, Konjunkturmotor und Steuerzahler tragen sie massgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg und zur Wohlfahrt eines Landes bei.

Verantwortungsvoll konsumieren, Alkoholexzesse bekämpfen

Man muss es immer wieder festhalten: Wir haben in der Schweiz keinen alkoholpolitischen Notstand. Der Konsum alkoholischer Getränke ist seit über 20 Jahren stets rückläufig. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung frönt keinem Risikokonsum, trinkt also nicht zu oft, zu viel oder zur falschen Zeit (Alkoholabhängigkeit, episodisch oder chronisch risikoreicher Konsum, situationsunangepasster Konsum wie Schwangerschaft, Strassenverkehr, Arbeitsplatz).

Die Schädlichkeit des Konsums alkoholischer Getränke liegt bekanntermassen nicht im Konsum an sich, sondern im Übermass; dieses gilt es zu bekämpfen. Hingegen gibt es keine Evidenz, die eine pauschale Reduktion des Konsums alkoholischer Getränke erfordern würden. Die Prävention kann sich auf bewährte Aufklärungs-, Kommunikations- und Werbestandards konzentrieren. Im übrigen sind laut dem Monitor Ernährung und Bewegung 2023 von gfs.bern 66 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten der Ansicht, dass sich Ernährungsgewohnheiten nicht mit Steuern ändern lassen.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “WHO: Keine Einmischung in die Steuersouveränität der Länder

Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG: Alkohol / Steuersätze

Bundesamt für Gesundheit BAG: Alkoholpolitik

Avenir Suisse: Privat vor Staat, auch in der Prävention

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Olivier Savoy, 21.10.2020: Volkswirtschaftliche Kosten von Sucht einseitig betrachtet



Olivier Savoy,
Verbandsmanager

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