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- Bern - Pierre-Gabriel Bieri

Sanierungsfall tiefrote Bundesfinanzen

Sanierungsfall tiefrote Bundesfinanzen: Bild zeigt eine Schweizer Münze vor einem Balkendiagramm.

Nach den ausserordentlichen Ausgaben in der Covid-Krise muss jetzt saniert werden. Der entsprechende Plan des Bundesrats läuft jedoch Gefahr, von zahlreichen neuen Ausgaben durchkreuzt zu werden. Entscheidend dafür, dass der Plan des Bundesrats gelingt, sind die Beschlüsse der eidgenössischen Räte. Die Parlamentarier – und diejenigen, die sie um Hilfe bitten – sind aufgefordert, sich zu mässigen.

Die heilende Wirkung der Schuldenbremse

In den 1990er Jahren gaben die Bundesfinanzen schon einmal Anlass zur Sorge, nämlich dann als die ordentlichen Ausgaben regelmässig die Einnahmen überstiegen. Dies führte zu einem strukturellen Defizit und einem raschen Anstieg der Staatsverschuldung. Um die Jahrtausendwende konnte diese Fehlentwicklung mit der Einführung der Schuldenbremse in Artikel 126 der Bundesverfassung gestoppt werden. Dank dieser Bremse können die Gesamtausgaben über einen Konjunkturzyklus hinweg nicht höher sein als die Gesamteinnahmen. Das heisst: Wächst die Wirtschaft überdurchschnittlich, gilt für den Haushalt eine Ausgabenobergrenze, die unter dem Niveau der Einnahmen liegt. In solchen Zeiten werden Gewinne erzielt. In einer Rezession hingegen ist die Ausgabenobergrenze höher und lässt ein Defizit zu. Der Bremsmechanismus hat zusätzlichen Spielraum, um in aussergewöhnlichen Situationen ausserordentliche Ausgaben zu tätigen.

Dank dieser Bremse hat sich seit 2006 das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben umgekehrt. Der Bundeshaushalt schrieb schwarze Zahlen. Tatsächlich stiegen die Ausgaben des Bundes immer weiter an und das in einem ziemlich beeindruckenden Tempo, aber die Einnahmen wuchsen noch stärker und hinterliessen solide Gewinne. Die Bundesfinanzen waren kaum noch ein Thema… bis zum März 2020, als die Covid-Krise ausbrach und eine verlangsamte oder fast zum Erliegen gekommene Wirtschaft gestützt werden musste. Die Einnahmen sanken drastisch, während das Parlament ausserordentliche Ausgaben in einem noch nie dagewesenen Ausmass beschloss. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde ein Schuldenberg von rund 30 Milliarden Franken angehäuft.

Das Abschreibungskonto im Zusammenhang mit der Schuldenbremse weist aktuell eine Unterdeckung auf, die es auszugleichen gilt. Im März 2022 verabschiedete der Bundesrat eine Botschaft zum Abbau dieser Corona-Schulden innert 13 Jahren. Ohne Sparprogramme oder Steuererhöhungen, sondern mit Hilfe der jährlichen Überschüsse in der Bundesrechnung… und dank zusätzlichen Ausschüttungen der Nationalbank.

Sanierungsplan: Viele Hunde sind des Hasen Tod

Wird der Sanierungsplan funktionieren? Anfangs Jahr war klar, dass die Geldausschüttungen der SNB zufällig sind. Dieser Teil des Plans steht also auf wackligen Füssen. Jetzt stellt sich die Frage, ob die Jahresrechnung des Bundes regelmässig die erhofften Überschüsse ausweisen kann.

Obwohl die Einnahmen wieder bemerkenswert gestiegen sind, könnten die Ausgaben noch steiler als zuvor ansteigen und so die Ausgabenobergrenze der Schuldenbremse verletzen. Mittelfristig wird erwartet, dass Demographie und globale Erwärmung für die öffentlichen Finanzen zur Belastung werden. Kurzfristig muss der Bundeshaushalt neuen Ausgaben in den Bereichen Armee, Klimapolitik (indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative), Gesundheit (indirekter Gegenvorschlag zur Initiative zur Prämienverbilligung in der Krankenversicherung), Verkehr (Bahninfrastrukturfonds, Schienengüterverkehr), familien-ergänzende Kinderbetreuung (die jedoch nicht in die Bundeskompetenz fällt) und Forschung (Beitrag an das Programm Horizon Europe) schultern.

Alle müssen den Gürtel enger schnallen

Im Januar hat der Bundesrat Vorentscheide getroffen, um den Haushalt für 2024 auszugleichen. Das ist ein guter erster Schritt. Jetzt steht das Parlament in der Verantwortung, die Haushaltsdisziplin zu wahren und bei neuen Ausgaben Zurückhaltung an den Tag zu legen – auch in Wahljahren! In dieser Verantwortung stehen aber auch diejenigen, die nur allzu gerne und allzu schnell nach der Hilfe des Staates bei der Lösung von Problemen rufen. Eine Tendenz, die besonders auf der linken Seite zu finden ist, aber auch bei einigen Unternehmern oder in bestimmten Berufszweigen Anklang findet.

Auf allen Ebenen ist also Zurückhaltung geboten, wenn der Bundeshaushalt nicht nur ausgeglichen, sondern auch die Schulden aus der Covid-Krise innert einer vernünftigen Frist tilgen soll.

In der Krise hat sich gezeigt, wie schnell und effizient gesunde Finanzen die Situation in der Pandemie bewältigen konnten, ohne dass der Staat dafür in die Knie musste. Jetzt gilt es, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Bei den öffentlichen Ausgaben ist Mässigung das Gebot der Stunde, bis der Bundeshaushalt saniert ist. Die Schuldenbremse muss dabei weiterhin strikte eingehalten werden.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “Sanierungsfall tiefrote Bundesfinanzen”

Eidgenössische Finanzverwaltung EFV: Bundeshaushalt im Überblick

Eidgenössische Finanzverwaltung EFV: Datencenter

Eidgenössisches Finanzdepartement EFD: Die Bundesfinanzen

Wikipedia: Schuldenbremse

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Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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