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Credit Suisse: Tragischer Vertrauensverlust

Credit Suisse: Tragischer Vertrauensverlust. Bild zeigt den Hauptsitz der Bank am Paradeplatz in Zürich.

Das Debakel der zweitgrössten Bank der Schweiz, die finanziell noch lebensfähig war, ist ein reihenweises menschliches Versagen der Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen. Sie liessen es zu, dass sich die Skandale häuften, der Ruf Schaden nahm und das Vertrauen erodierte.

Rettung in letzter Minute

Nach den wiederkehrenden Krisen der letzten Jahre und den Schwierigkeiten, die sich in den vergangenen Monaten verschärften und sich letzte Woche beschleunigten, wurde am Sonntag, dem 19. März, bekannt, dass die UBS die Credit Suisse für 3 Milliarden Franken in Form eines Aktientauschs vollständig übernimmt. Die Transaktion wird mit der Zustimmung und Unterstützung des Bundes durchgeführt. Der Bund gewährt der UBS eine Verlustgarantie von 9 Milliarden Franken, die aktiviert werden kann, wenn die Bank Verluste in Höhe von 5 Milliarden Franken selbst beseitigt hat. Die Schweizerische Nationalbank stellt ihrerseits bei Bedarf Liquidität in Höhe von 100 Mrd. Franken zur Verfügung. Der Bundesrat stützte sich auf Notrecht, um die ordentlichen Regeln des Wettbewerbsrechts ausser Kraft zu setzen. Auf diese Weise bedurfte es auch keines Entscheids des Parlaments, da die Finanzdelegation beider Kammern diesen Beschluss bestätigte. Die Zustimmung der Aktionäre war ebenfalls nicht nötig.

Diese Ankündigung führt zu zahlreichen Kommentaren und ist in aller Munde. Es ist jedoch anzumerken, dass mehrere nützliche Beurteilungselemente, insbesondere solche, die nicht in Richtung eines absoluten Katastrophismus gehen, in der Medienberichterstattung kaum vorkommen. Beispielsweise ist zu betonen, dass die Credit Suisse im Gegensatz zur UBS vor 15 Jahren nicht mit toxischen Vermögenswerten durchsetzt war. Sie war offenbar zahlungsfähig und erfüllte die gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen. Der vermeintliche Gigantismus der neuen UBS muss relativiert werden: Bisher lag die UBS gemessen an der Bilanzsumme weltweit auf Platz 32. Durch die Fusion mit der Credit Suisse (43. Platz) wird die UBS ungefähr auf Platz 11 der Weltrangliste vorrücken. Damit spielt sie neu in der „Liga der Grossen“. Das führt aber nicht automatisch zu einer besonders exponierten Position. Ihr systemisches Risiko für den Schweizer Markt darf nicht unterschätzt werden, wird aber durch das Vorhandensein eines starken Netzwerks von Kantonal- und Regionalbanken sowie durch das Aufkommen digitaler „Pure Players“ teilweise kompensiert.

Die Zukunft wird auch zeigen, ob die öffentliche Hand bei dieser Operation Geld verlieren oder ob der Bund, wie schon in der Vergangenheit, am Ende des Tages einen finanziellen Gewinn aus dieser Rettung ziehen wird.

Die Aktionäre haben fast alles verloren

Dennoch resultieren aus diesem Ereignis tragische Konsequenzen. Der Ruf des Schweizer Finanzplatzes nimmt ein weiteres Mal Schaden. Tausenden von Arbeitsplätzen, sowohl bei der übernehmenden als auch bei der übernommenen Bank, schweben in Gefahr – auch wenn sich der Stellenabbau wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum erstrecken wird und wahrscheinlich die Beschäftigungslage in der Schweiz nur marginal beeinflusst. Schmerzliche Folge auch für die Aktionäre, die fast alles verlieren, ohne sich äußern zu können – und die noch mehr verloren hätten, wenn sie abstimmen und die Übernahme hätten ablehnen können.

Aus dieser Perspektive kann nicht der Schluss gezogen werden, dass das Debakel der Credit Suisse Ausdruck des Versagens des kapitalistischen Systems ist. Vielmehr hat das System nach seinen Regeln funktioniert, indem es die Aktionäre dazu zwang, das jeder Investition innewohnende Risiko zu übernehmen. Das gilt es sich vor Augen zu führen, wenn einige Politiker die Rettung solcher Institute durch Verstaatlichung fordern: Dann würden die Steuerzahler unfreiwillig in die Rolle der Aktionäre schlüpfen.

“Die Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen haben es reihenweise versäumt, dafür zu sorgen, dass ihre Leistungen mit ihrer Vergütung korrespondieren.”

Die entscheidende Rolle von Vertrauen

Die Tragik dieser Rettungsaktion ist die Tatsache, dass sie für eine finanziell lebensfähige Bank durchgeführt wurde, die wegen des Vertrauensverlusts ihrer Kunden und Investoren am Rand des Abgrunds stand. Es kann nicht genug oft betont werden, dass es ohne Vertrauen in allen Geschäftsbeziehungen nicht geht – gerade und erst recht bei einem Finanzinstitut. Aber Vertrauen steht und fällt mit dem guten Ruf eines Finanzinstitutes. Die Credit Suisse hat sich innerhalb weniger Jahre eine ganze Reihe von Skandalen geleistet, die rufschädigend waren. Wir haben es letztlich mit einem Fall von menschlichem Versagen zu tun: dem reihenweisen Versagen der Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen, die es versäumten, dafür zu sorgen, dass ihre Leistungen mit ihrer Vergütung korrespondieren.

Die grösste Herausforderung für die Schweizer Bankenwelt besteht nun darin, das Vertrauen wieder aufzubauen: bei den Finanzmärkten, bei den Kunden und auch bei der Öffentlichkeit. Dies setzt eine Wiederbelebung der Realwirtschaft voraus. Einer Wirtschaft, in der viele Unternehmer ihr Amt kompetent ausführen, auf eine straffe Führung achten, ohne von überhöhten Margen zu träumen. Unternehmer, die eine Beziehung zu ihren Kunden aufbauen und pflegen.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “Credit Suisse: Tragischer Vertrauensverlust

Medienkonferenz des Bundesrates, 19.03.2023: BP Berset – BR Keller-Sutter zu: Finanzplatz Schweiz

SRF News Spezial, 19.03.2023: “Bundesrat informiert zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS

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Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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