- Politik, Steuern, Wirtschaft - Pierre-Gabriel Bieri
Erbschaftsinitiative: missraten, klassenkämpferisch und kontraproduktiv

Erbschaftsinitiative: missraten, klassenkämpferisch und kontraproduktiv. Die Initiative verspricht, die Klimapolitik durch die Besteuerung von Erbschaften bei den „Superreichen“ zu finanzieren. Die Abwanderung dieser Personengruppe wäre vorhersehbar. Einher ginge ein Rückgang der Steuereinnahmen. Zudem würde die Annahme zum Verschwinden gesunder Familienunternehmen führen. Aufgrund fehlender Liquidität sähen sich die Erben gezwungen, Teile oder sogar das ganze Unternehmen zu verkaufen.
„Ultrareiche“ und „Profiteure“ zur Kasse bitten
Die Volksinitiative der Jungsozialisten mit dem Titel „Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)“ wird am 30. November Volk und Kantonen zur Abstimmung vorgelegt. Der Text der Initiative sieht einen neuen Verfassungsartikel 129a vor, der dem Bund das Recht einräumt, eine Steuer von 50% auf Erbschaften und Schenkungen zu erheben, die einen Freibetrag von 50 Millionen Franken überschreiten. Die Steuer wäre eine Bundessteuer, würde aber von den Kantonen erhoben, die ein Drittel des Ertrags behalten könnten. Sowohl der Bund als auch die Kantone müssten den Ertrag dieser Steuer zweckgebunden „zur Bekämpfung der Klimakrise“ verwenden.
Auf der Grundlage einer theoretischen Berechnung schätzen die Initianten, dass eine solche Steuer jährlich rund sechs Milliarden Franken einbringen könnte. Damit wollen sie die Bevölkerung überzeugen, dass nicht sie die Kosten der Klimapolitik – energetische Sanierung von Gebäuden, Umstellung des Fahrzeugparks usw. –tragen muss. Denn zur Kasse gebeten würden jene, die nach Ansicht der Jungsozialisten für die Klimakrise verantwortlich sind: die „Ultrareichen“ und „Profiteure“ – um die klassenkämpferischen Begriffe der Initianten wieder zu verwenden.
Im sozialistischen Gedankengut steht per se hinter einem Erbe von mehr als 50 Millionen ein alter Parasit, der auf einem Haufen (unrechtmässig erworbenem) Gold sitzt und sich anschickt, dieses einem jungen Parasiten zu vermachen. Dieser hat seinerseits nichts getan, um sich dieses Erbe zu verdienen. Es liegt auf der Hand, dass die stärksten Steuerzahler mit dieser Erbschaftssteuerinitiative aus der Schweiz vertrieben würden. Ein klassisches Eigentor! Fehlen würde dann nämlich auch ihr «normales» Steuersubstrat.
Der Durchschnittssteuerzahler wird die Zeche bezahlen
Die Verfasser der Initiative machen sich keine Illusionen über die Steuerflucht, die ihr Vorschlag nach sich ziehen würde. Ihr Text fordert Durchführungsbestimmungen „zur Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere im Zusammenhang mit Wegzügen aus der Schweiz“. Diese Ausführungsbestimmungen würden sogar „rückwirkend für Erbschaften und Schenkungen gelten, die nach der Annahme von Art. 129a erfolgt sind“. Mit anderen Worten: Vermögende Steuerzahler, die am Morgen des 1. Dezembers noch in der Schweiz ansässig sind, würden Gefahr laufen, von den Steuerbehörden verfolgt zu werden, wenn sie ins Ausland ziehen.
Ist das realistisch? In seiner Botschaft an das Parlament widmet der Bundesrat der „Verhinderung von Steuervermeidung“ und der von der Initiative geforderten Rückwirkung ein ausführliches Argumentarium. Er hält eine rückwirkende Besteuerung für „staatspolitisch problematisch“. Es ist jedoch undenkbar, dass eine Kontrolle der Steuervermeidung (Kontrolle der Auswanderungen) vor Inkrafttreten eines Ausführungsgesetzes stattfinden kann. Der Bundesrat erinnert zudem daran, dass ein Wegzug aus der Schweiz nicht automatisch als „Steuerhinterziehung“ bezeichnet werden kann und dass ein Umzugsverbot oder die Erhebung einer „Ausreisesteuer“ einen unverhältnismässigen Eingriff in die persönliche Freiheit und die Niederlassungsfreiheit darstellen würde.
Das bedeutet, dass eine Steuerflucht in den Monaten nach der Abstimmung weiterhin möglich wäre. Und es bedeutet auch, dass die Steuereinnahmen wahrscheinlich sinken würden, anstatt zu steigen. Denn laut verschiedenen Szenarien der Bundesverwaltung könnten die Einnahmen aus der neuen Erbschaftssteuer zwischen 100 Millionen und 1,1 Milliarden liegen, während die Einnahmen aus den bestehenden Steuern (Einkommens- und Vermögenssteuer) zwischen 1,3 und 3,7 Milliarden sinken dürften. Die Folge davon: Der Durchschnittsbürger wird sowohl zur Kasse gebeten, um die Steuerausfälle zu berappen, als auch für die Klimapolitik gerade stehen müssen.
Nicht alle „Ultrareichen“ sitzen auf einem Goldberg. Viele von ihnen besitzen ein Unternehmen, das oft ihr einziges Vermögen darstellt.
Falle für die Unternehmensnachfolge
Die andere Gefahr, die die Wirtschaft besonders beunruhigt, ergibt sich aus der Tatsache, dass nicht alle von der Initiative betroffenen „Superreichen“ auf einem Goldberg sitzen. Viele von ihnen besitzen ein Unternehmen, das oft ihr einziges Vermögen darstellt.
Die Gewerbezeitung vom 3. Oktober nennt das Beispiel eines Holzbauunternehmens mit 150 Mitarbeitenden, das Gebäude sowie einen Maschinen- und Fuhrpark besitzt und einen Wert von 80 Millionen Franken hat. Bei der Übertragung an die nächste Generation würden die 30 Millionen, die den Freibetrag übersteigen, mit 50% besteuert, was einer Steuer von 15 Millionen entspricht. Verfügen die Nachfolger nicht über diesen Betrag in bar, müssen sie sich zum Nachteil ihrer Wettbewerbsfähigkeit verschulden oder, was wahrscheinlicher ist, das Unternehmen auflösen oder verkaufen (wohl oft auch in ausländische Hände).
Bei Annahme der Initiative würde es also zum Verschwinden zwar gesunder, aber nicht mehr übertragbarer Unternehmen kommen, mit negativen Folgen für die Steuereinnahmen, die Arbeitsplätze und, als Dominoeffekt, auf weitere Unternehmen und Kleinbetriebe, die direkt oder indirekt von diesem Unternehmen abhängen. Weiter gedacht würde es auch Unternehmer davon abhalten, ihre Aktivitäten auf- und auszubauen. Hoffen die Jungsozialisten wirklich darauf, auf diese Weise die Klimapolitik zu finanzieren?
Der extremistische und schädliche Charakter dieser Initiative dürfte zu ihrer Ablehnung führen; wünschenswert wäre, dass diese Ablehnung massiv ausfällt.
Erbschaftsinitiative: missraten, klassenkämpferisch und kontraproduktiv
Link zur NEIN-Kampagne: