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- Bern - Pierre-Gabriel Bieri

Strom-Mangellage: ernsthafte Vorbereitungen sind wichtig

Abbildung zeigt einen Strommasten. Die sich abzeichnende Strom-Mangellage wird im Artikel von Centre Patronal thematisiert.

Eine Strom-Mangellage, vor der seit mehreren Jahren gewarnt wird, scheint nun in absehbarer Zeit kaum noch vermeidbar zu sein. Der Bund bereitet sich mithilfe eines Szenarios mit vier Massnahmestufen – von „sanft“ bis einschneidend – darauf vor. Auch Unternehmen sind gut beraten, die mit einer solchen Situation verbundenen Risiken zu antizipieren.

Es wird weniger Strom produziert und mehr verbraucht

Die Aussicht auf Energieknappheit ist ein Thema, welches die Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen derzeit stark beschäftigt. Während die Verfügbarkeit von Erdöl nicht gefährdet scheint, ist die Gasversorgung in einigen europäischen Ländern angesichts der Einfuhrbeschränkungen aus Russland und der Lieferschwierigkeiten aus anderen Teilen der Welt bereits kritisch. In der Schweiz ist Gas für viele Industriezweige sowie einen Teil der Haushalte zum Heizen wichtig. Daneben kann Gas auch eine indirekte Bedeutung für die Schweiz haben, sobald wir Strom aus Ländern importieren, die mit Gas Elektrizität produzieren. Die grösste Sorge gilt somit der Elektrizität in Form von Sekundärenergie, da diese aus anderen Energieträgern gewonnen wird, deren ausreichende Verfügbarkeit aber ab diesem Winter möglicherweise nicht mehr gewährleistet werden kann.

Die Strom-Mangellage in der Schweiz ist das Ergebnis einer kleineren Produktionsmenge (Abschaltung eines ersten Kernkraftwerks im Jahr 2019, daneben Schwierigkeiten oder die Unmöglichkeit, die Kapazitäten der Wasserkraft zu erhöhen) und eines gleichzeitig steigenden Verbrauchs. Letzterer als Folge des Bevölkerungswachstums, der steigenden Verbreitung neuer elektronischer Geräte und der immer intensiveren Nutzung von Strom als „saubere“ Energie, insbesondere im Bereich des Verkehrs. Die Schweiz ist dadurch stärker von ausländischen Stromimporten abhängig geworden. Diese Importe sind heute jedoch insofern bedroht, als dass unsere Nachbarländer mit eigenen Schwierigkeiten zu kämpfen haben und daher ihre Produktion in erster Linie für den Eigenbedarf reservieren.

Diese Situation, die seit mehreren Jahren absehbar war, erfordert klare politische Entscheidungen, um unsere Produktionskapazitäten zumindest mittelfristig zu erhöhen. In der unmittelbaren Zukunft, sprich in den kommenden Monaten, müssen wir uns auf eine Mangellage einstellen.

Der Bund sieht vier Stufen von Massnahmen vor

Auf staatlicher Ebene hat das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) ein Szenario mit Massnahmen für den Fall einer Strom-Mangellage ausgearbeitet. Diese Massnahmen sind in vier Stufen unterteilt:

  • Die Stufe 1 beinhaltet Sparappelle (Aufruf zum Sparen) an alle Verbraucher, den individuellen Stromverbrauch zu reduzieren.
  • Die Stufe 2 würde, wenn die individuellen Sparanstrengungen nicht ausreichen, dazu führen, dass die Nutzung nicht zwingend benötigter Geräte und Anlagen eingeschränkt oder verboten wird (z. B. Leuchtreklamen, Rolltreppen, Saunen usw.).
  • Sollte dies immer noch nicht ausreichen, würde in Stufe 3 eine Kontingentierung für Grossverbraucher (> 100’000 kWh pro Jahr) eingeführt, die dann gezwungen wären, einen bestimmten Prozentsatz ihres Verbrauchs für einen Tag (mit ein paar Tagen Vorankündigung) oder einen Monat (mit einmonatiger Vorankündigung) einzusparen.
  • Als ultima ratio würde Stufe 4 den Behörden erlauben, regional rotierende Netzabschaltungen für einige Stunden anzuordnen.

Die Entscheidung, diese verschiedenen Stufen zu aktivieren, liegt beim Bundesrat. Mit der Durchführung ist OSTRAL (Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen) betraut, welche dem BWL untersteht. Darüber hinaus gilt es sich bewusst zu machen, dass diese „kontrollierten“ Massnahmen das parallele Risiko von unbeabsichtigten Stromausfällen nicht vollständig ausschliessen.

Sich auf eine Strom-Mangellage vorbereiten

Für Unternehmen ist es wichtig, sich auf mindestens zwei Ebenen vorzubereiten. Zum einen sollten sie alle Möglichkeiten prüfen, wie sie ihren Stromverbrauch in unterschiedlichen Intensitätsstufen senken können, um auf einen Aufruf zu individuellen Sparanstrengungen (Stufe 1) oder gar auf eine Kontingentierung gemäss Stufe 3 (sofern sie zu den Grossverbrauchern gehören) reagieren zu können. Andererseits ist es ratsam, die Auswirkungen eines möglichen Stromunterbruchs – kontrolliert und angekündigt, aber auch ungewollt und abrupt – auf ihr Geschäft zu untersuchen und Massnahmen zur Schadensbegrenzung zu evaluieren. Die Lösungen werden je nach Branche und je nach den Möglichkeiten, Aktivitäten in andere Zeitfenster zu verlegen, unterschiedlich sein. Hervorzuheben ist zudem, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Entschädigungen für kurzfristige Unterbrechungen vorgesehen sind.

Optimisten mögen darauf hinweisen, dass zumindest auf lokaler Ebene das Risiko eines Stromausfalls schon immer bestanden habe. Dennoch sind die Aussichten für die gesamte Schweiz besorgniserregend. Jeder und jede sollte alles in seiner Macht stehende tun, um Kontingentierungen oder gar Netzabschaltungen zu vermeiden.

Weiterführende Informationen:

Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL)

Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen (OSTRAL)

Thematisch verwandter Beitrag:

Martin Kuonen vom 06.02.2019 zur Stromversorgung



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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